Der Handel leidet noch unter den Folgen des März-Lockdowns. Nun müssen Geschäfte erneut zusperren.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Die Stimmung am Freitag erinnerte stark an das Frühjahr. Wie schon im März kursierten im ganzen Land Gerüchte darüber, wie die Verschärfungen des Lockdowns aussehen könnten. Aus Regierungskreisen war zu hören, dass der Handel – bis auf Supermärkte, Apotheken und Trafiken – zusperren wird, wohl ab Montag oder Dienstag. Details standen noch aus. Unter Unternehmern herrscht Unverständnis, Wut und Ratlosigkeit. Während einige darauf hoffen, dass es doch noch anders kommt, bereiten sich andere schon vor: Kunden werden aufgefordert, Produkte noch am Wochenende von Händlern abzuholen; Beauty-Termine auf Samstag vorverlegt.

Gerüchte sind offensichtlich vielerorts im Umlauf. Von einer Torschlusspanik der Kunden vor einer möglichen Betriebssperre berichtet Gabriele Wiedenhofer, Betreiberin des Friseursalons Eva in Wien-Donaustadt. Sie sei derzeit komplett ausgebucht. Für eine neuerliche Betriebssperre sieht sie keine Notwendigkeit – schließlich habe sie nach dem ersten Lockdown alle Auflagen erfüllt. Eine Sperre Mitte November würde ihren Betrieb mit fünf Angestellten besonders hart treffen, denn: "Wir müssen doch jetzt Weihnachtsgeld bezahlen."

Lockdown zugunsten Amazons

Drohende Umsatzausfälle vor der Weihnachtszeit sind auch dem Handelsverband ein Dorn im Auge. Immerhin sei diese für den Umsatz besonders wichtig, sagt Geschäftsführer Rainer Will. In den vergangenen Jahren habe das Weihnachtsgeschäft immer früher eingesetzt; Will fürchtet, dass heuer vermehrt online bestellt wird. Es hätte sich gezeigt, dass nur jeder vierte Kunde Einkäufe im stationären Handel "nachholen" würde. "Es ist ein Amazon-Förderprogramm." Der Verband fordert, dass für den Handel ein ähnliches Hilfsprogramm geschnürt wird wie für Gastronomie und Hotellerie (siehe Kasten rechts).

Auch bei der Wirtschaftskammer herrscht Sorge um das Weihnachtsgeschäft. Einen fixen erneuten Lockdown könne er nicht bestätigen, sagte Handelsspartenobmann Rainer Trefelik. "Das wäre der größte Albtraum."

Während Supermärkte weiter geöffnet bleiben, sollen andere Geschäfte großteils schließen.
Foto: APA/dpa/Nietfeld

Man habe Erfahrungen aus dem ersten Lockdown, daraus werde man wohl gelernt haben, hofft unterdessen Thomas Saliger, Sprecher des Möbelhandelsriesen XXXLutz. Jetzt das "Geschäft kaputtzumachen", dafür gebe es einfach keinen Grund. "Im Handel gibt es keinen Hinweis, dass sich dort jemand angesteckt hätte."

Dabei hat gerade die Wiedereröffnung einer Lutz-Filiale vergangene Woche für Aufsehen gesorgt. Nach Bildern von großen Menschenmengen appellierte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), mehr Abstand in Shoppingcentern zu wahren. Bei diesen reagiert man verschnupft: Die Möbelhauseröffnung habe nichts mit Shoppingcentern zu tun, sagt Christoph Andexlinger von der SES-Gruppe, die österreichweit 18 Einkaufszentren betreibt. Bei diesen achte man penibel auf Hygienemaßnahmen. Dort sei die Verweildauer seit der Gastro-Schließung um bis zu 40 Prozent zurückgegangen. Zudem sei kein Cluster aus Einkaufszentren bekannt. "Man will die Kunden Amazon in die Arme treiben."

Shoppingausflüge werden nun wohl länger nicht stattfinden. Der Handel fürchtet um das Weihnachtsgeschäft.
Foto: APA/Helmut Fohringer

Seit dem zweiten Lockdown und dem Verhängen der Ausgangssperre spitzte sich die Situation auch im Sportartikelhandel weiter zu. Schon die aktuellen Maßnahmen mit geschlossenen Seilbahnen und Hotels kämen faktisch "einer verordneten Geschäftsschließung gleich", sagt Intersport-Geschäftsführer Thorsten Schmitz. Was jetzt kommt? Man wisse es nicht. "Wir warten ab, welche Verordnungen kommen, dann richten wir uns danach."

Sorge herrscht nicht nur bei den Großen. Für Kleinunternehmer sei ein nächster harter Lockdown ohne anständige Hilfen nicht machbar, sagt Sonja Lauterbach von der Initiative EPU Österreich. "Die geschürte Panik erreicht Dimensionen, die nicht mehr lustig sind." Ankündigungen und Gerüchte hingen "wie ein Damoklesschwert" über Selbstständigen. Bereits die bisherigen Corona-Richtlinien würden Unternehmer ratlos zurücklassen, Gerüchte die Unsicherheit befördern.

Kein Verständnis

Während es im Hintergrund brodelt, merkt man in Susanne Wagners Kosmetikstudio im zweiten Wiener Gemeindebezirk nichts von den anstehenden Verschärfungen. Am Freitag zu Mittag wird hochkonzentriert gearbeitet. Eine Mitarbeiterin behandelt hinter einem Paravent eine Kundin. Die Chefin selbst ist auch beschäftigt, für lange Gespräche hat sie eigentlich keine Zeit. Käme jetzt ein zweiter Lockdown, wäre "ich angefressen", sagt sie resolut. "Wir sind für kommende Woche gut gebucht." Die Menschen wollen sich jetzt etwas Gutes tun, Handpflege oder Fußpflege gehöre da dazu. Ohnehin gebe es keinen Grund, deutet sie durch das Geschäft. Abstand, kein Problem, Mundschutz selbstverständlich: "Bei uns halten sich die Leute an die Regeln." Womit sie rechnet? Na ja, Gratiszeitungen deuteten das Allerschlimmste an, sagt sie etwas entnervt. Dabei erhole man sich erst von den Folgen des ersten Lockdowns. (Nora Laufer, Andreas Schnauder, Regina Bruckner, Alexander Hahn, 14.11.2020)