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Im Vergleich mit Rafael Nadal liegt der Weltranglisten-Dritte Dominic Thiem mit 5:9 zurück. Der Spanier ist 34 Jahre alt und die Nummer zwei in der Weltrangliste.

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Es ist in diesem Jahr die letzte Dienstreise für Dominic Thiem. Das klingt ultimativer, als es ist, hat mit Wehmut nur am Rande zu tun. So richtig ausgelaugt ist er ja nicht, die Pandemie hatte das Tennisprogramm drastisch reduziert. Der 27-Jährige hat 2020 lediglich 29 Partien bestritten, 2019 waren es 68. "Ich hatte deutlich mehr Corona-Tests als Matches", sagt er dem STANDARD.

Bei den ATP Finals in London können maximal fünf Spiele dazukommen, sofern er das Finale erreicht. "Man soll es nicht ausschließen, es wird eng, alle sind in guter Form, jeder kann jeden schlagen, mit jedem ist zu rechnen, jeder ist motiviert." Speziell Andrej Rublew habe zuletzt aufgezeigt.

Thiem hat das persönlich erfahren, in Wien unterlag er dem aufstrebenden Russen und späteren Turniersieger im Viertelfinale. Rublew ist einer der drei Gegner in der Gruppenphase, die anderen sind Rafael Nadal und Stefanos Tsitsipas. Am Sonntag eröffnet Thiem gegen den Griechen (15 Uhr). Da wäre noch ein Hühnchen zu rupfen. 2019 verlor er das Finale im Tiebreak des dritten Satzes. "Es war trotzdem geil, die Stimmung ein Wahnsinn." Da Thiem nicht nachtragend ist, hat Tsitsipas keinen Wettbewerbsnachteil zu befürchten.

Große Dankbarkeit

Seit ein paar Tagen darf sich der Lichtenwörther "Österreichs Sportler des Jahres" nennen, die Wahl war der angekündigte Erdrutschsieg. Wer in der Weltsportart Tennis die US Open, ein Grand-Slam-Turner, gewinnt, ist konkurrenzlos. Da musste David Alaba erster Verlierer sein. "Auch die anderen Nominierten haben geile Leistungen erbracht. Ich bin froh und dankbar, wenn man sich die Liste meiner Vorgänger anschaut. Jetzt stehe ich auf einer Stufe mit ihnen."

Gegen Andrej Rublew hat Dominic Thiem eine ausgeglichene Bilanz, es steht 2:2. Unlängst in Wien gewann der der 23-jährige Russe.
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Corona hat Thiems Leben total verändert. Das Jahr hatte relativ normal begonnen, mit einer knappen Finalniederlage bei den Australian Open gegen Novak Djokovic. Danach übernahm das Virus die Regie. Erster Lockdown, nicht einmal trainieren durfte Thiem. "Nur an der Playstation konnte ich mich steigern". Warten. "Ich lernte, mit Kleinigkeiten zufrieden zu sein. Als ich den Trainingsplatz betreten durfte, war es wie ein großer Sieg."

Geisterturniere

Es folgten Geisterturniere. "Besser als nichts, immerhin durften wir wieder arbeiten." Von einer Blase ging es in die nächste, die Spieler wurden in Hotels isoliert, durften die Schutzmasken öffentlich nur beim Match ablegen. Das wird so bleiben. "Die normalen Abläufe waren abgeschafft. Du konntest am Abend nicht in die jeweilige Stadt gehen, es gab keine Abwechslung, du hattest kaum Foto- und Medientermine. Mir fehlten Pressekonferenzen. Nach Niederlagen konntest du nicht gleich heimfahren. Ich war mit meinem Tennis allein – und bin es immer noch."

Thiem hat eine neue Beziehung aufgebaut, da die äußeren Umstände weggefallen sind. "Normal kommt zusätzliche Energie vom Publikum. Jetzt muss alle Kraft von dir selbst, aus dem Inneren kommen. Das ist mir gelungen, ich habe neue, positive Seiten an mir kennengelernt."

Am 13. September lieferte er in New York sein Meisterstück, den epischen Finalsieg gegen Alexander Zverev. "Obwohl ich eingesperrt war, war es die absolute Befreiung. Ohne diesen Titel wäre meine Karriere unvollendet geblieben. Seither kann ich mir neue Ziele setzen, es fällt alles irgendwie leichter."

Keine Lichtershow

Thiem weilt seit Mittwoch in London, es ist sein fünftes Antreten bei den ATP Finals. Er wird von Trainer Nicolás Massú, Physio Alex Stober und seinem Bruder Moritz begleitet. Zu viert langweilt es sich leichter. Die in Wien erlittene Fußsohlenverletzung ist ausgeheilt. "Ich habe gut trainiert." Die O2-Arena fasst 17.000 Zuschauer, diesmal schaut praktisch nur der Stuhlschiedsrichter zu. Thiem ist also auf sich allein gestellt. "In London wird es besonders arg sein. Normal ist da immer eine Lichtershow, ein Spektakel." Trotzdem sei es gut, "dass Sportarten wie Tennis, Fußball oder Formel 1 stattfinden. Die Leute können im Fernsehen schauen, den tristen Alltag kurz vergessen."

Im Vergleich mit Stefanos Tsitsipas (22) führt Dominic Thiem mit 4:3. Gemeinsam eröffnen sie am Sonntag die ATP Finals.
Foto: imago images/Action Plus

Als Folge der Pandemie sind die Preisgelder nahezu halbiert. 2019 wurden bei den Finals neun Millionen Dollar verteilt, diesmal sind es 5,7. Laut Thiem ist das immer noch mehr als genug. "Es war ja absurd, wie sich etwa die Gehälter im Fußball entwickelt haben. Ein Schritt in die Normalität."

Was nach London passiert, weiß Thiem nicht. Er wird sich in Österreich auf die nächste Saison vorbereiten. Planbar ist nix. "Keine Ahnung, ob die Australian Open stattfinden. Im ersten Halbjahr wir sicher nicht vor Publikum gespielt."

Vielleicht lernt sich Thiem noch besser kennen. Die nächste Dienstreise kommt bestimmt. (Christian Hackl, 14.11.2020)