Wer wen überzeugt hat, Südtirol von der Liste der Risikogebiete zu nehmen, bleibt auch nach der Anfrage unklar.

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Innsbruck/Wien – Die Vorgänge während der ersten Corona-Welle in Tirol beschäftigen weiter die Politik. Nach wie vor unklar ist zum Beispiel, ob jemand und wenn ja wer seinen politischen Einfluss hat spielen lassen, als Südtirol Anfang März zum Risikogebiet erklärt wurde und es Stunden später plötzlich nicht mehr war. In seiner aktuellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr, die an Berichte des STANDARD anknüpft, nimmt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) dazu Stellung, bleibt aber echte Informationen schuldig.

Konkret wollte Herr wissen, warum das Gesundheitsministerium am Freitag, dem 6. März 2020, Südtirol zum Risikogebiet erklärt hat, diese Entscheidung aber binnen Stunden revidierte. Nur um sie am darauffolgenden Montag wiederum zu revidieren und Südtirol wieder auf die Liste der Corona-Risikogebiete zu setzen. Die Frage ist insofern brisant, als am Abend des 6. März ein großes Schlagerkonzert mit 4.500 Fans in der Innsbrucker Olympiahalle stattfand, zu dem auch zahlreiche Fans aus Südtirol erwartet wurden. Wäre es aber Risikogebiet gewesen, hätte niemand von dort kommend Zutritt zur Veranstaltung erhalten dürfen.

RKI hatte Südtirol bereits auf der Liste

Die Einschätzung als Risikogebiet hatte das Gesundheitsministerium vom deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) übernommen. Das war zu dieser Zeit der beginnenden Pandemie Standard, wie man aus Anschobers Ressort in der Anfragebeantwortung bestätigt. Das RKI hatte Südtirol schon am 5. März auf die Liste der Risikogebiete gesetzt. Im RKI-Lagebericht des 6. März hieß es: "Aufgrund vermehrt positiv getesteter Covid-19-Fälle mit entsprechender Reiseanamnese wurde Südtirol (entspricht Provinz Bozen) in der Region Trentino-Südtirol am 5. 3. 2020 als Risikogebiet ergänzt."

In Anschobers Anfragebeantwortung heißt es nun aber: "Aufgrund der Tatsache, dass Südtirol nach den uns damals vorliegenden Informationen lediglich im einstelligen Bereich bestätigte SARS-CoV-2 Fälle zugeordnet werden konnten und keine Indizien hinsichtlich eines, die Definition als Risikogebiet rechtfertigenden, Transmissionsgeschehens in Südtirol vorlagen (insbesondere waren keine reise-assoziierten Fälle mit Bezug zu Südtirol bekannt), wurde im Rahmen einer erneuten Evaluierung von Seiten des Ressorts die Einstufung als Risikogebiet zurückgenommen." Tatsächlich berichteten deutsche Medien, wie etwa die "Stuttgarter Zeitung", schon Ende Februar von der Corona-Gefahr in Südtirol.

Südtirol hat erfolgreich in Nordtirol interveniert

Dass es zumindest aus Südtirol politische Interventionsversuche wegen der Einstufung als Risikogebiet durch Österreich gab, berichteten dortige Medien. Demnach habe Südtirols Landesrat Philipp Achammer (SVP) bei Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) "erfolgreich interveniert" und erreicht, dass man die Einstufung zurückgenommen hat. Anschober antwortet aber nicht auf Herrs explizite Fragen, ob auch versucht wurde, auf ihn einzuwirken, sondern sagt nur: "In der Frage der Bewältigung der Herausforderungen der Covid-19-Pandemie kam und kommt es regelmäßig zur Abstimmung mit den Bundesländern auf verschiedenen Ebenen."

In einem STANDARD-Interview sagte Tirols Landeshauptmann Platter dazu im Frühjahr: "Die Tiroler Landeseinsatzleitung ist gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden des Bundes zur Einschätzung gelangt, dass diese Bewertung des RKI überzogen war. Daher wurde sie wieder zurückgenommen." In Tirol sorgte das Schlagerkonzert noch kurz für Nachwehen, wie die "Tiroler Tageszeitung" im Mai berichtete.

SP-Abgeordnete Herr: "Anschober lässt Fragen offen"

Für Herr sind Anschobers Antworten unbefriedigend: "Der Minister lässt die Fragen offen, ob es vonseiten der Tiroler Behörden oder der ÖVP Druck und Interventionen gab, die Einstufung Südtirols als Risikogebiet zurückzunehmen. Die Regierung scheint nicht interessiert, die schwerwiegenden Fehler im März aufzuklären und Verantwortliche zu benennen. Jetzt steht die Wintersaison vor der Tür, ohne aus den Fehlern der Vorsaison gelernt zu haben."

Auch hinsichtlich einer zweiten Anfrage, die Herr an Anschober gestellt hat und die sich um die Weiterleitung von Warnungen dänischer Gesundheitsbehörden dreht, zeigt sie sich ob der Antworten enttäuscht: "Sie zeigen, dass das Behördenversagen rund um Ischgl und das viel zu späte Handeln noch immer nicht aufgeklärt sind, das Hin- und Herschieben der Verantwortung geht weiter." (Steffen Arora, 13.3.2020)