Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (links) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Ende Oktober, erheben schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

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Die nun vorliegenden Pläne der Bundesregierung für einen dreiwöchigen verschärften Lockdown stoßen bei der Opposition auf fundamentale Kritik. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wertete die Maßnahme als Schuldeingeständnis "für das totale Versagen der Regierung" im Corona-Management. Fast wortident reagierte am Samstag Neos-Obfrau Beate Meinl-Reisinger: "Diese Regierung hat versagt." Wegen der Schulschließungen will die Neos Chefin rechtliche Schritte prüfen. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl warf der Regierung vor, "unsere Republik zu Grabe zu tragen".

Contact Tracing vernachlässigt

Rendi-Wagner stieß sich in einer Pressekonferenz am Samstag daran, dass für die drohende zweite Pandemiewelle keine Vorbereitung getroffen worden sei. Man habe sich weder um eine zentrale Koordinierung noch um ein intaktes Contact Tracing gekümmert. Auch bei der Vorbereitung der Intensivstationen habe der Bund die Länder und Spitalsträger allein gelassen. Als schweren Fehler wertete sie zudem, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im August noch vom Licht am Ende des Tunnels gesprochen hatte, als die zweite Welle bereits am Beginn gestanden sei.

Der nun angekündigte Lockdown sei eine "Verzweiflungstat" und zeige den totalen Kontrollverlust der Bundesregierung über das Infektionsgeschehen, sagte Rendi-Wagner: "Jetzt bekommen alle Österreicher die Rechnung für das Managementversagen der Bundesregierung präsentiert." Und: "Die Regierung muss jetzt die Notbremse ziehen aufgrund ihres eigenen Versagens." Wenn dieser Blindflug so weitergehe, sei der nächste Lockdown schon vorprogrammiert.

Gegen Aus für Regelunterricht

Ein klares Nein kam von der SPÖ-Chefin für das sich anbahnende Aus für den Regelunterricht. Die Schulen müssten geöffnet bleiben. Einschränkungen in diesem Bereich seien das falsche Signal und die falsche Maßnahmen. Fast alle westlichen Länder hätten trotz Lockdowns den Unterricht weiterlaufen lassen. Ein Stopp bringe viel Schaden, wenig Nutzen und sei "hochgradig verantwortungslos".

Eine Einbindung der Opposition hat es laut Rendi-Wagner übrigens kaum gegeben. Es sei eine kurze Telefonkonferenz in Aussicht gestellt, in der man wohl das erfahren werde, was seit Tagen in den Medien kursiere.

Grund- und Freiheitsrechte

"Die Regierung hat nichts dazugelernt", meinte auch Kickl zu den bisher bekannt gewordenen Lockdown-Maßnahmen. Offenbar habe man seit dem Frühjahr die Hände in den Schoß gelegt und sich nichts überlegt. Jetzt greife man dafür zu völlig überzogenen Mitteln und treibe Österreich in den Ruin. Auch in die Grund- und Freiheitsrechte werde wieder einmal massiv eingegriffen.

Sämtliche Lebensbereiche wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Kultur, Bildung und Sport seien bereits massiv und zu einem großen Teil irreparabel geschädigt worden. Hilfsgelder würden schleppend oder gar nicht ausbezahlt. Die Situation sei dramatisch – aber nicht primär wegen des Coronavirus, sondern wegen der Inkompetenz, Selbstherrlichkeit und Beratungsresistenz von ÖVP und Grünen, so Kickl.

Eltern ziehen vors Höchstgericht

Zum Thema Distance-Learning meinte Meinl-Reisinger, es gebe bereits Eltern, die sich an die Höchstgerichte wenden wollen. Man schaue sich das jetzt an.

Ohne die Schulschließungen, mit denen für die Neos ein "Ende des Grundrechts auf Bildung" einhergeht, würde ihre Partei im Hauptausschuss den Maßnahmen wie der 24-Stunden-Ausgangsbeschränkung sogar zustimmen. Meinl-Reisinger appellierte auch an die Bevölkerung, die Vorgaben diesmal einzuhalten.

Ausbau von Testungen

Millionen hätten das bisher schon getan und müssten jetzt ebenso die Zeche zahlen wie die Wirtschaft, für die die aktuelle Situation eine "Katastrophe" sei. Meinl-Reisinger erwartet sich, dass hierfür rasche "rechtlich saubere, solide Maßnahmen auf den Tisch gelegt werden". Die Regierung sei aber auch gefordert etwas zu unternehmen, damit sich die Versäumnisse des Sommers nicht wiederholten. Dabei geht es unter anderem um einen Ausbau von Contact-Tracing und Testungen.

Anschober: "Niemand ist perfekt"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) antwortete am Samstagabend in der "ZiB 2" auf die Frage, ob die Regierung den Sommer verschlafen habe: "Wir haben alle miteinander intensiv an der Vorbereitung gearbeitet", das betreffe sowohl die Gesundheitsbehörden als auch die Spitalsverantwortlichen. "Aber niemand ist perfekt."

Gesundheitsminister Anschober war am Samstagabend in der "ZiB 2".
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Landeshauptleute akzeptieren Lockdown

Bedächtiger fielen die Reaktion aus den Bundesländern aus. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bezeichnete den Lockdown als "notwendigen logischen Schritt". Zum Fernunterricht sagte er, Experten in Kärnten sähen die Ansteckungsgefahr "in diesen Bereichen geringer als sonst". Deshalb: "Ich hätte es lieber gesehen, wenn das als Präsenzunterricht über die Bühne gegangen wäre." Die Entscheidung sei anders gefallen, das habe man zu akzeptieren.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sprach von einer "bitteren Medizin, die jetzt leider notwendig ist, um die Gesundheitsversorgung vor dem Kollaps zu schützen". Wichtig sei, dass allen Eltern und Kindern, die es benötigen, ein ausreichendes Betreuungsangebot an den Schulen zur Verfügung gestellt werde.

Disziplin, Vorsicht, Zusammenhalt

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) appellierte an die Bevölkerung, die Maßnahmen einzuhalten: "Wir alle tragen Verantwortung und deshalb braucht es jetzt, mehr denn je, Disziplin, Vorsicht und Zusammenhalt."

In Wien sieht man die Lockdown-Bestimmungen für den Kindergarten- und Schulbereich kritisch. "Noch am letzten Donnerstag hat sich die Ampelkommission ja dezidiert für ein Offenhalten von Schulen und Kindergärten ausgesprochen", so Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Die Vorgaben des Bundes würden aber "selbstverständlich in die Tat umgesetzt". (APA, simo 14.11.2020)