In der Hauptstadt Bratislava bildeten sich Schlangen vor den Teststationen.

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Die Idee klang spektakulär, entsprechend groß war auch jenseits der Grenzen die Neugierde: An den vergangenen beiden Wochenenden führte die Slowakei Corona-Massentests durch, um ein möglichst umfassendes Bild von der Infektionslage im Land zu haben. Am Donnerstag ließen sich dann laut Angaben der slowakischen Gesundheits-Staatssekretärin Jana Ježíková Mitarbeiter des österreichischen Bundeskanzleramts sowie des Verteidigungs- und des Gesundheitsministeriums über die Erfahrungen informieren, die das Nachbarland mit seiner Testaktion gemacht hat.

Dass man aus dem Ausland zunächst gleichermaßen interessiert und abwartend Richtung Bratislava geblickt hatte, erscheint auch angesichts der Skepsis in der Slowakei selbst nicht weiter verwunderlich. Kritiker hatten dem konservativ-populistischen Premierminister Igor Matovič übertriebenen Aktionismus vorgeworfen. Die Maßnahme, die im Idealfall die Testung aller Bürgerinnen und Bürger über zehn Jahren zum Ziel hatte, sei logistisch nur schwer durchführbar, hieß es. Zudem gab es verfassungsrechtliche Bedenken rund um die angebliche Freiwilligkeit bei den Tests: Wenn es Sanktionen für jene gebe, die sich nicht beteiligen würden, dann könne von Freiwilligkeit keine Rede sein, monierten viele – darunter die liberale Staatspräsidentin Zuzana Čaputová.

Keine Sozialleistungen

Am Samstag, dem 31. Oktober, wurde es dann trotzdem ernst. Allen Kritikern zum Trotz wurde die erste Testphase gestartet – mit Hilfe der Armee und tausender freiwilliger Helferinnen und Helfer. Zuvor hatte man die Bevölkerung über die konkreten Konsequenzen einer Verweigerung informiert: Ab Montag, dem 2. November, dürfe man in diesem Fall nicht mehr zur Arbeit gehen. Wer seinen Beruf nicht im Homeoffice ausüben könne und nun wegen Nicht-Teilnahme an den Tests zu Hause bleiben müsse, habe während dieser Zeit keinen Anspruch auf Sozialleistungen, wie sie sonst etwa an den Krankenstand gekoppelt sind. Unbedingt nötige Einkäufe oder Arztbesuche blieben allerdings erlaubt. Test-Verweigerer durften auch weiterhin Kinder spazieren führen oder an Begräbnissen naher Angehöriger teilnehmen. Ansonsten aber unterlagen sie bis Ende dieser Woche einer weitgehenden Ausgangssperre.

Für Menschen, die einen negativen Test vorweisen konnten, gab es hingegen keinerlei Ausgangsbeschränkungen. Für sie galten lediglich weiterhin die allgemeinen Regeln zur Virusbekämpfung, etwa die Beschränkung von Zusammenkünften auf maximal sechs Personen. Wer auf der Straße unterwegs war, konnte jederzeit von der Polizei aufgefordert werden, einen negativen Corona-Befund herzuzeigen. Auch am Arbeitsplatz konnte die Bescheinigung über einen negativen Test verlangt werden, ebenso in öffentlich zugänglichen Einrichtungen.

Rückgang um 55 Prozent

Nach dem Ende der zweiten Runde zeigte sich die Regierung in Bratislava insgesamt zufrieden mit der Aktion. Bereits am ersten Wochenende hatten sich in dem 5,5-Millionen-Enwohner-Land mehr als 3,6 Millionen Menschen testen lassen. Eine Woche später waren es neuerlich mehr als zwei Millionen Tests. Bezirke mit einem besonders niedrigem Anteil an Infizierten mussten diesmal nicht mehr teilnehmen.

Premier Matovič sieht nicht nur im gewonnenen Datenmaterial ein wertvolles Instrument zur Bekämpfung des Virus, sondern ortet auch einen unmittelbaren Effekt der Maßnahme: In der zweiten Runde seien nur 0,66 Prozent der Tests positiv ausgefallen, eine Woche zuvor sei es noch gut ein Prozent gewesen. Die Ausgangsbeschränkungen für jene, die sich nicht an der Aktion beteiligen wollten, sowie die zehntägige Heimquarantäne für die positiv Getesteten hätten also direkt dazu beigetragen, die Infektionskurve abzuflachen, glaubt die Regierung. Entsprechend zuversichtlich gab sich Matovič hinsichtlich künftiger Tests in ausgewählten Regionen. Man könne sich dann schon vorher ausrechnen, dass man dort "innerhalb einer Woche die Zahl der Infizierten um etwa 55 Prozent verringern kann", so der Regierungschef. Bereits nächstes Wochenende soll erneut flächendeckend getestet werden, allerdings nur noch in ausgewählten Bezirken.

Unsichere Testergebnisse

Epidemiologen und Mathematiker in der Slowakei warnten jedoch vor allzu großem Optimismus: Zum einen sei die Zuverlässigkeit der verwendeten Antigentests nach wie vor unklar, positive Tests seien nicht durch nachträgliche PCR-Tests abgesichert worden. Zum anderen sei der Rückgang der Zahlen möglicherweise ein Effekt der Lockdown-Maßnahmen, die bereits Mitte Oktober eingeführt worden waren. (Gerald Schubert, 15.11.2020)