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Bürgerrechtler wird Bürgermeister: Draško Stanivuković aus Banja Luka.

Foto: AP Photo/Radivoje Pavicic

Am Sonntag hat die bosniakisch-nationalistische Partei SDA bei der Lokalwahl in Sarajevo massiv Stimmen verloren und wird damit wohl nicht mehr den Bürgermeister der bosnischen Hauptstadt stellen. Die Bürger haben damit auch Korruption und jahrzehntelange Vetternwirtschaft abgewählt. Die Partei unter der Führung von Bakir Izetbegović ist seit langem vor allem klientelistisch ausgerichtet. Es gibt kaum Visionen oder Reformprogramme.

Im Bezirk Centar in Sarajevo gewann der Kandidat der progressiv-bürgerlichen und multiethnischen Naša stranka (Unsere Partei), Srđan Mandić, der einzig wirklich reformorientierten und den europäischen Werten verpflichteten Partei in Bosnien-Herzegowina, die Wahl. Mandić bekam dreimal mehr Stimmen als der Kandidat der SDA.

Das Zentrum der Stadt setzt mit seiner Wahl auch ein Zeichen der Modernität – denn Mandić hat keinen muslimischen Namen und die Bürger des Bezirks wählten damit jenseits des ehtnopolitischen Camps wie dies sonst die meisten Bosnier tun. Sie zeigten damit, dass die Einteilung von Menschen nach Namen, das Wählen nach sogenannter ethnischer Zugehörigkeit oder Religionsbekenntnis angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen für sie unwichtig ist.

Ethno-Denken aus dem 19. Jahrhundert

Die bisher dominante SDA steht für ein System, das in Südosteuropa noch immer sehr prägend ist: Viele Bürger glauben, dass die Zugehörigkeit zu einer sogenannten ethnischen Gruppe, die mit religiöser Zugehörigkeit gleichgesetzt wird, ihr Leben bestimmen soll. Dieses Denken stammt aus dem 19. Jahrhundert und dominiert die Politik nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch in Serbien. Dementsprechend wählen die Leute nationalistische Parteien, die diese völkischen Konzepte vertreten. Doch in den Städten wie in Sarajevo gibt es auch Menschen, die nicht dieses Ethno-Denken vertreten und sich als Bürger mit Rechten verstehen.

Auch in der Altstadt von Sarajevo (Stari Grad) und sogar im konservativen Randbezirk Ilidža verlor die SDA. Izetbegović räumte dies ein. Einige forderten seinen Rücktritt. In Banja Luka wurde die im Landesteil Republika Srpska dominierende SNSD besiegt. Bürgermeister wird der 27-jährige Jungpolitiker Draško Stanivuković von der wirtschaftsorientierten PDP. Stanivuković hat sich in den vergangenen Jahren sehr tapfer für mehr Demokratie und Transparenz in der von der SNSD autokratisch geführten Republika Srpska eingesetzt.

Widerstand gegen autoritäre Führung

Er war 2018 Teil der Protestbewegung "Gerechtigkeit für David", bei der es um die Einführung von Rechtsstaatlichkeit ging, und kritisierte das autoritäre Vorgehen des serbischen Mitglieds der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, scharf. Allerdings ist Stanivuković selbst ein Nationalist, er zeigte sich mit einer Fahne der rechtsextremen Tschetniks und ist panserbisch ausgerichtet.

Eine besondere Tragik ereignete sich bei der Wahl im zentralbonischen Travnik. Dort gewann der SDA-Kandidat Mirsad Peco, der am Sonntag an den Folgen seiner Covid-19-Erkrankung starb. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 16.11.2020)