Mit Massen-Antigentests sollen Personen ohne Symptome getestet werden. Das Ziel: asymptomatisch Infizierte entdecken bzw. Infizierte entdecken, bei denen die Krankheitssymptome noch nicht ausgebrochen sind.

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In der Corona-Pandemie gibt es eine große Unbekannte, die beim Infektionsgeschehen eine große Rolle spielt: es sind all jene Menschen, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind, allerdings keine Symptome entwickeln, aber trotzdem so viel an Viren produzieren, dass sie andere anstecken können. Diese asymptomatisch Infizierten dürften die Infektionszahlen nach oben treiben. Ein wichtiger Durchbruch wäre, sie zu identifizieren und zu isolieren.

Der Goldstandard beim Nachweis des Coronavirus ist der PCR-Test. Er liefert die verlässlichsten Ergebnisse, doch zwischen Abstrich und Testergebnis vergeht zu viel Zeit. Doch Zeit spielt bei der Verbreitung des Virus eine wichtige Rolle – und hier kommen die neuen Antigentests ins Spiel. Antigentests weisen, im Gegensatz zu PCR-Tests, nicht die RNA von Sars-CoV-2 nach, sondern Proteinfragmente. 30 Minuten nach Abstrich sind die Ergebnisse fertig. Wenn solche Tests dort regelmäßig durchgeführt werden, wo Infektionsgeschehen vermutet wird, dann könnten so die asymptomatisch Infizierten entdeckt werden.

Ein Baustein von vielen

"Massentests sind nur ein Baustein in der Pandemiebekämpfung. Ihr Vorteil: ein schnelles Ergebnis. Der Nachteil: Jeder Test ist nur eine Momentaufnahme," sagt Virologin Judith Aberle von der Med-Uni Wien – und sagt damit gleichzeitig: Menschen, die negativ getestet wurden, dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen, sie könnten sich gleich nach dem Test rein theoretisch ja bei jemandem anstecken. Deshalb entbindet ein negativer Antigentest niemanden davon, sich auch weiter an sämtliche Hygienevorschriften zu halten.

Zentral ist die Verlässlichkeit dieser Antigentests. Genau das war bislang das Problem. Vor allem, wenn Massentests durchgeführt werden, müssen die Ergebnisse extrem exakt sein, denn falsch-negative Testergebnisse würden das Infektionsgeschehen ja weiter vorantreiben. Alles hängt von der Sensitivität solcher Tests ab und auch von der Inzidenz, also der Häufigkeit des Virus in der Bevölkerung. Derzeit geht man davon aus, dass 500 von 100.000 Menschen in Österreich infiziert sind. Wenn die Antigentests eine Spezifität von 80 Prozent haben, wäre ein Fünftel der Test falsch-negativ. Das heißt: 400 wären richtig positiv und 100 falsch-negativ. Bei Massentests fällt das ins Gewicht.

Auch Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, Facharzt für Labormedizin, sieht es ähnlich. Antigentests, vor allem wenn sie in Massen durchgeführt werden, sind ein Instrument, das nur im Verbund mit allen anderen Maßnahmen sinnvoll ist.

Viele Anbieter

Eine der großen Unsicherheiten ist die Genauigkeit dieser Tests. Spezifität ist der Fachausdruck dafür. In den letzten Monaten haben viele Firmen Antigentests entwickelt, doch bevor sie zum Einsatz gebracht werden können, müssen sie auf ihre Genauigkeit hin evaluiert werden. Virologe Christian Drosten hat mit seinem Team eben sieben Antigentests evaluiert und seine Ergebnisse als Pre-Print veröffentlicht.

In die Evaluierung miteingeschlossen sind folgende sieben Anbieter:

  • Coris Bioconcept Covid-19 Ag Respi-Strip: 100 Prozent
  • RapiGEN 255 BIOCREDIT COVID-19 Ag: 100 Prozent
  • NAL von minden NADAL COVID-19- 258 Ag Test: 99,26 Prozent
  • Abbott Panbio COVID-19 Ag Rapid Test: 99,26 Prozent
  • Roche/SD Biosensor SARS-CoV Rapid Antigen Test: 98,53 Prozent
  • R-Biopharm 257 RIDA QUICK SARS-CoV-2 Antigen: 94,85 Prozent
  • Healgen Coronavirus Ag Rapid Test Cassette 256: 88,24 Prozent

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass diese Antigentests die Infektiosität gut nachweisen und insofern für die Suche nach asymptomatisch Infizierten eingesetzt werden können. Der Epidemiologe und Public-Health-Experte Michael Mina von der Harvard Medical School attestiert Drostens Studie hohe Aussagekraft.

Kurzfristig und langfristig

Auf Michael Mina und seine Simulationen stützt sich auch Komplexitätsforscher Peter Klimek von der Med-Uni Wien. Am Complexity Science Hub wird derzeit evaluiert, unter welchen Bedingungen Antigenmassentests überhaupt sinnvoll wären. In der aktuellen Situation, sagt Klimek, wären Antigentests eine Art "Wellenbrecher", weil die Inzidenzen so hoch sind. Erfahrungen aus der Slowakei zeigten das. Massentests sind nur dann sinnvoll, wenn 50 Prozent der Bevölkerung auch tatsächlich mitmachen, "dabei muss jedoch jede Person zweimal pro Woche getestet werden", so Klimek.

Langfristig seien Massentests jedoch keine Kontrollstrategie, sagt Klimek. Wenn man Massentests als Prävention einsetzen will, dann muss man dort gezielt testen, wo es am meisten Sinn macht, nämlich in den Altenheimen und Krankenhäusern. Man wisse, dass die Infektionen dort vom Personal eingebracht werden, mit Antigentests zweimal pro Woche sollen Infizierte auch vor Ausbruch von Symptomen besser erkannt werden.

Personelle Ressourcen

Wenn man über die Testung an Schulen nachdenkt, sagt Klimek, ist die Frage, wer diese Testungen dort durchführen wird. "Man kann die Leute das nicht selber machen lassen", ist sich Ärztekammerpräsident Szekeres sicher, nur medizinisch geschultes Personal könne den Abstrich nehmen.

Die personellen Ressourcen sieht auch das Gesundheitsministerium als das größte Problem. Die Verfügbarkeit der Massentests sei keine Hürde, eher die Frage, mit welcher Logistik und vor allem mit Personal dieses Projekt dann durchgeführt werden soll. Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist wichtig, dass "eine Massentestung auf freiwilliger Basis durchgeführt wird". (Karin Pollack, 16.10.2020)