Die Corona-Pandemie hält die internationale Staatenwelt in Atem. "Covid-19 ist eine globale Herausforderung", bekräftigte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal am Montag beim 17. Vienna Economic Forum, das heuer erstmals online abgehalten wurden. Als entscheidend für die Überwindung der Krise gilt die Digitalisierung. "Digitale Transformation ist einer der Turbos auf dem Weg zur wirtschaftlichen Erholung", ist EU-Forschungskommissarin Mariya Gabriel überzeugt.

"Die Universitäten können die Digitalisierung beschleunigen", sagte die EU-Kommissarin und strich dabei die Wichtigkeit der weiteren europaweiten Vernetzung hervor, um "das innovative Potenzial in allen Regionen heben zu können". "Wir müssen den öffentlichen Wissenschaftsbereich stärken, der Hochschulsektor ist dabei essenziell." Die Universitäten der Zukunft sollen praxisorientierter und leistungsbetonter sein, "um die Studenten besser auf die Jobs der Zukunft vorzubereiten". Für Innovationen müsse ein besseres Umfeld geschaffen werden. Das sei auch für das Wirtschaftssystem wichtig, meinte Gabriel mit Blick auf Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Investitionspaket

Um die weitere wirtschaftliche Transformation auch in den Westbalkanländern (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) voranzutreiben hat die EU erst kürzlich ein neun Milliarden Euro schweres Investitionspaket geschnürt. Die Gelder sollen zwischen 2021 und 2027 fließen. "Die EIB (Europäische Investitionsbank, Anm.) tätigte in den vergangenen zehn Jahren Investitionen von über acht Milliarden Euro in der Region – 1,7 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Covid-19", berichtete EIB-Vizepräsidentin Lllana Pablova. Die Bank beteilige sich bereits an Projekten in Bereichen, die auch im EU-Investitionsplan erwähnt sein – so etwa Landwirtschaft, digitale Infrastruktur (in Albanien und demnächst auch im Kosovo), Abfallbehandlung (in Skopje, Nordmazedonien) oder umweltfreundliche Energieerzeugung. "Wir sehen bei allen politischen Spitzen ein 'Commitment zur Green Agenda' der EU", stellte Pablova fest.

Mit den EU-Mitteln für die Westbalkanländer werden Projekte in den Bereichen Verkehrsverbindungen, Energie sowie beim ökologischen und digitalen Wandel gefördert. Der EU-Erweiterungsbericht zu den sechs Ländern der Region beklagt allerdings noch schleppende Fortschritte in vielen Reformbereichen wie etwa Justiz, Medienfreiheit und Korruption. Bei Serbien und Montenegro laufen die Beitrittsverhandlungen bereits seit Jahren – doch sie kamen zuletzt kaum voran. Serbiens Verhältnis zu seiner ehemaligen Provinz Kosovo gilt als Hauptproblem. Dessen Unabhängigkeit will Belgrad nicht anerkennen.

Krise ist "bewältigbar"

Die finanzielle Komponente der Coronakrise hält die Raiffeisen Bank International (RBI) in den Ländern Ost- und Südosteuropas für "ziemlich gut bewältigbar". "Die öffentlichen Finanzen wurden davon zwar substanziell beeinträchtigt und werden immense Defizite ausweisen, doch viele Länder hatten ihre Budgets vor der Krise ganz gut konsolidiert – zum Teil besser als im Westen", analysierte Raiffeisen-Research-Leiter für Economics, Fixed Income and FX Research, Gunter Deuber, der 2021 Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek in dieser Funktion ablösen wird. Die Investoren zeigten nach wie vor Vertrauen in die Regionen.

"Der Appetit des Marktes, die Region zu unterstützen, ist auch vorhanden." Vor Covid hätten sich die Kreditwachstumsraten "diszipliniert" entwickelt – "die Banken unterstützen die Märkte" -, derzeit sei das Kreditwachstum "höher". Wie etwa Österreich auch sei Südosteuropa vor allem im Tourismusbereich extrem von der Krise belastet – mit Anteilen am Bruttoinlandsprodukt von 25 bis 30 Prozent in Albanien, von rund 25 Prozent in Kroatien und über 20 Prozent in Montenegro. In Österreich sind es (inklusive Freizeitwirtschaft) rund 15 Prozent.

Angesichts der Coronakrise rechnet der Kosovo 2020 mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von sieben Prozent, so Premierminister Abdullah Hoti. "Obwohl wir als Regierung für die Wirtschaftstreibenden Entschädigungszahlungen in Höhe von etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts leisteten, konnten wir die Wirtschaft nicht wie ursprünglich geplant komplett entschädigen", berichtete Hoti. Seine Regierung setzte "große Hoffnung" in den neun Milliarden Euro schweren Investitionsplan der EU und befürworte stark Projekte, die der besseren Integration der Region förderlich seien. "Wir glauben fest daran, dass ein gemeinsamer Markt in der Region – der Abbau von Handelsbeschränkungen – zur Bewältigung der Pandemie beiträgt." Den "Dialog mit Serbien" hofft Hoti erfolgreich abschließen zu können, "um die Region zu stabilisieren", sagte der Premier angesichts der politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern.

Ukraine will auch in den digitalen Markt

Der ukrainische Ministerpräsident Schmyhal führte im Zuge der heutigen Konferenz eine engere Kooperation mit der EU betreffend "kritischer Rohstoffe" ins Treffen und befürworte die Integration in den Gas- und Strommarkt ebenso wie in den digitalen Markt der EU. Dafür seien freilich noch Reformen im eigenen Land nötig, räumte er ein. Weiters erwäge die ukrainische Regierung auch die Errichtung eines Werkes für Auto-Elektro-Batterien. Wichtige Investitionsziele in der Ukraine seien vor allem Infrastruktur und IT. Der IT-Sektor des Landes wachse jährlich um 20 bis 25 Prozent und weise großes Exportpotenzial betreffend Know-how aus.

Die Coronakrise werde sein Land noch die nächsten drei bis fünf Jahre beschäftigten, erwartet der Vizepremier Nordmazedoniens, Fatmir Bytyqi. "Die Hauptherausforderung besteht darin, das Gleichgewicht zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen zu finden." Dieser Herausforderung müssten sich nun alle stellen. "Wie wir darauf reagieren wird entscheidend dafür sein, wie wir uns in der Zukunft entwickeln werden."

Für eine "resiliente Energiezukunft auf Basis des Green Deals" der EU sei die Digitalisierung der Schlüssel, konstatierte Verbund-Vorstand Achim Kaspar. "Wir müssen aus Kohle und Atomenergie aussteigen und in Richtung Wind- und Solarenergie gehen." Dadurch werde das Energiesystem volatiler. "Für ein stabiles Energienetz, für eine grüne, stabile und strahlende Energiezukunft, brauchen wir Digitalisierung.

"Wir sind vor 30 Jahren nach Osteuropa gegangen – wir werden diese Pandemie und diese Rezession bewältigen, in den vergangenen 30 Jahren haben wir schon größere Herausforderungen bewältigt", meinte RBI-Vorstand Peter Lennkh zuversichtlich. (APA, 16.11.2020)