Corona-Test in Bratislava: Gesundheitsbehörden nahmen Abstriche, die Armee assistierte – auch hierzulande sollen Soldaten mithelfen.

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Mit seinem Wort zum Sonntag hat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die halbe Republik überrumpelt: ganze Bundesländer ebenso wie das Bundesheer. In der ORF-"Pressestunde" kündigte der Kanzler für die Zeit nach dem harten Lockdown Corona-Massentests an – zunächst für Lehrer, die dann wieder an den Schulen unterrichten sollen, danach aber – wie in der Slowakei schon geschehen – auch für die restliche Bevölkerung, um zu Weihnachten gefahrlose Familienfeiern zu ermöglichen.

Allein: Vom Ansinnen des Kanzlers war kaum einer der Verantwortlichen, die das bis zu den Festtagen abwickeln sollen, vorab informiert, obwohl sich rund um Massentests wie beim östlichen Nachbarn große logistische und rechtliche Fragezeichen auftun.

Freiwilligkeit oberstes Gebot

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte am Montag, dass noch gar nicht klar sei, ob die ganze Bevölkerung oder nur gewisse Zielgruppen und Hotspots durchgetestet werden sollen. Seit vergangener Woche werde innerhalb der Regierung an der Konzeption der Teststrategie gearbeitet – abgeschlossen sei sie noch nicht. Fest stehe: Die Tests müssten als freiwilliges Programm angeboten werden. Wobei Anschober davon ausgeht, dass die Beteiligung sehr hoch wäre.

Auch Kanzler Kurz wollte am Montag – nach einer Videokonferenz mit dem slowakischen Premier Igor Matovič – seine anvisierten Massentests als "Angebot" verstanden wissen. Es gehe um jene, die sich keine teuren PCR-Tests leisten könnten.

Die Massentests in der Slowakei, die dort an den vorangegangenen beiden Wochenenden unter Mithilfe der Armee für alle Zehn- bis 65-Jährigen stattfanden, waren aber nur begrenzt freiwillig: Denn um etwa weiterhin in die Arbeit gehen zu können, war dort das Vorweisen eines negativen Antigentests erforderlich.

Militärischer Testlauf in Slowakei

Klar ist auch, dass für die von Kurz begehrten Massentests Soldaten aufgeboten werden – allerdings brauchte das Kabinett von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bis in den Montagvormittag hinein, um von dort aus versichern zu können: "Das Bundesheer steht, so wie auch in der Vergangenheit, als strategische Reserve der Republik bereit." In Abstimmung mit dem Kanzleramt und dem Gesundheitsressort seien nun die Planungen angelaufen. Ob dabei auch Milizsoldaten zum Einsatz kommen, ist unklar, nähere Details zum Prozedere werden erst am Freitag nachgereicht.

Immerhin: Anfang November hat das Bundesheer schon dreißig Sanitäter in den Raum Bratislava entsendet, um die dortigen Streitkräfte bei den Massentests zu unterstützen. Unter Mithilfe der österreichischen Soldaten wurden dort pro Tag 5.500 slowakische Bürger von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends getestet, seitdem steht man im Austausch mit den slowakischen Behörden, heißt es. In Österreich könnte ein erster Durchgang mit Tests für bestimmte Gruppen wie Lehrer schon am Wochenende vom 5./6. Dezember und ein größerer am 19./20. Dezember erfolgen, sagte Oberst Klaus Streit, der Kommandant des Einsatzes in der Slowakei, im APA-Gespräch.

Ohne Verfassungsmehrheit kein Zwang möglich

Aus rechtlicher Sicht können hierzulande die Massentests nur unter absoluter Freiwilligkeit durchgeführt werden, sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Wenn die Teilnahme an Auflagen geknüpft wird wie in der Slowakei, sei für Verweigerer ein Verhängen von "Quarantäne nicht denkbar". Dafür müssten Betroffene krankheits- oder ansteckungsverdächtig sein. Auch mildere Ausgangsbeschränkungen könne man nicht an eine Test-Teilnahme knüpfen – "das wäre ein Zwang über Umwege", so Bußjäger.

Für ein anderes Vorgehen bräuchte es ein neues Gesetz mit Verfassungsmehrheit, eine Änderung mit einfacher Mehrheit würde wegen der Verhältnismäßigkeit wohl kaum vor dem Verfassungsgerichtshof standhalten, sagt der Experte. Eine einfache Gesetzesänderung, erklärt Bußjäger, könne man zwar damit argumentieren, dass "das öffentliche Interesse überwiegend ist". Dem allerdings könnten medizinische Einwände entgegenstehen: "Experten könnten sagen, eine solche Massentestung ist nur eine Augenblicksaufnahme und daher kein taugliches Mittel zur Pandemiebekämpfung." (Katharina Mittelstaedt, Gabriele Scherndl, Nina Weißensteiner, 16.11.2020)