Blutspenden für die Armee in Äthiopien. Ein großes Blutbad ist vielleicht noch zu verhindern. Doch die Welt muss jetzt handeln.

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Man muss weder ein Schwarz- noch ein Hellseher sein, um zu ahnen, wie es am Horn von Afrika jetzt weitergehen wird. Eritrea droht bereits in den Bürgerkrieg zu kippen, den Äthiopiens Premier Abiy Ahmed vor knapp zwei Wochen gegen die Region Tigray eröffnet hat. Vermutlich würde dann auch der Sudan in den Krieg verwickelt. Während Ägypten seine Chance gekommen sieht, den Äthiopiern wegen ihres Nil-Staudamms eins auszuwischen – und das Milliardenprojekt, das Äthiopiens Energieversorgung sichern soll, womöglich zu bombardieren. Das halbwegs auf die Beine gekommene Somalia würde dann wieder ins Chaos abdriften. Und innerhalb Äthiopiens gab es wohl die größte Katastrophe. Dort droht sich ein ethnisches Inferno zu wiederholen, wie jenes, das einst den Vielvölkerstaat Jugoslawien in Schutt und Asche gelegt hat. Massive Fluchtbewegungen wären eine der Folgen, sie würden auch Europa betreffen.

Äthiopiens Premier Abiy Ahmed, der Friedensnobelpreisträger 2019, hat den Fehler seines Lebens begangen: Der Krieg in der Region, den er vom Zaum gebrochen hat, wird nicht nur seinen Ruf vernichten. Ist es schon zu spät, um ihn zumindest noch einzugrenzen? Vielleicht. Doch wenn es noch eine Chance gibt, den Geist der Zerstörung in die Flasche zurückzudrängen, dann heute und nicht morgen. Warum hat der UN-Sicherheitsrat noch keine Sondersitzung anberaumt, noch keinen Emissär ans Horn von Afrika geschickt und nicht jeden erdenklichen Druck auf Abiy ausgeübt? Weder die USA noch China, Russland oder die EU können ein Interesse an einer weiteren afrikanischen Kernschmelze haben. Wollen sie eine solche verhindern, müssen sie aber endlich aufwachen und handeln! (Johannes Dieterich, 16.11.2020)