Foreign Fighters für den IS in einem kurdischen Gefangenenlager: Österreichern, die sich der Terrororganisation anschlossen, blüht der Verlust der Staatsbürgerschaft.

afp/delil souleiman

Wien – Unter den Vorschlägen für Gesetzesverschärfungen nach dem Terroranschlag von Wien vor zweieinhalb Wochen war er einer der ersten – und er kam zuallererst von der FPÖ: Islamistische Gefährder müssten "aus der Gemeinschaft verstoßen werden können", auch wenn sie die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, indem man ihnen diese entziehe, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner am Tag nach dem Blutbad.

Auch ÖVP- und SPÖ-Politiker wie Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig konnten einer solchen Forderung in der Folge etwas abgewinnen. Beim Ministerrat in der Woche darauf war der Staatsbürgerschaftsentzug dann schon Teil der Überlegungen für ein umfassendes Antiterrorpaket von Türkis-Grün. Die Diskussion ist am Laufen.

Valchars und Nowak einig

Doch ist ein solcher Vorschlag auch inhaltlich sinnvoll? In Bezug auf die Verfolgungsmöglichkeit terroristischer Straftaten vielfach nicht, sagen der Politikwissenschafter Gerd Valchars und der Menschenrechtsrechtsexperte Manfred Nowak unisono.

Denn handle es sich bei dem Terroristen, wie im Fall des mutmaßlichen Attentäters von Wien, um einen Doppelstaatsbürger, so sei Österreich nach einem Staatsbürgerschaftsentzug nicht mehr für allfällige im Ausland begangene Taten zuständig. "Das ist dann schlicht und einfach ein Abschieben der Verantwortung", meint Nowak.

"Wettlauf zwischen den Staaten"

Werde die Aberkennungspraxis international ausgeweitet, drohe ein "Wettlauf zwischen den Staaten, nach dem Motto 'Wer muss ihn behalten?'".

Denn: Zwar verliere der Betreffende durch den Staatsbürgerschaftsentzug seine Rechte als österreichischer Bürger wie etwa das Wahlrecht. Doch damit sei nicht gesagt, dass er etwa auch das Land verlasse. Möglicherweise würden Personen in einer solchen Lage illegal ins Land zurückkehren und sich kriminell betätigen, sagt Valchars.

Österreichischer Vorbehalt

Rechtlich möglich indes ist das Streichen der Staatsangehörigkeit in Ausnahmefällen schon – sogar dann, wenn einem Menschen dadurch Staatenlosigkeit blüht. Dem Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit des Europarats ist Österreich in den 1990er-Jahren mit einem diesbezüglichen Vorbehalt beigetreten.

Konkret kann der österreichische Pass eingezogen werden, wenn eine Person für fremde Armeen gekämpft oder sich für fremde Staaten zum Nachteil Österreichs betätigt hat, etwa als Spion. 2015, als junge Österreicherinnen und Österreicher, vielfach mit Migrationshintergrund, nach Syrien und in den Irak zogen, um sich der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen, wurde der Tatbestand um die Beteiligung an Kampfhandlungen einer aggressiven, bewaffneten Gruppe erweitert.

Attentäter von Wien blieb Österreicher

Nach diesem Passus war gegen den mutmaßlichen Attentäter von Wien bereits ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden. Er hatte versucht, sich dem IS in Syrien anzuschließen, war aber in der Türkei festgenommen und nach Österreich zurückgeschickt worden.

Seinen hiesigen Pass konnte er jedoch behalten. Nach Ansicht der zuständigen Wiener Behörde gab es zum damaligen Zeitpunkt "zu wenig Hinweise auf aktives Tun" in Richtung einer terroristischen Betätigung. Auch gegenüber dem Magistrat hatte es der 20-Jährige nach seiner Haftentlassung also geschafft, sich als harmlos darzustellen. (Irene Brickner, 16.11.2020)