Sebastian Kurz am Montagabend im "Bürgerforum" zum Lockdown auf Puls 4.

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Mittlerweile braucht es in der Pandemie auch ein bisschen Abwechslung. Beim Überbringen betrüblicher Lockdown-Nachrichten hat sich in die Argumentation der Politik zuletzt denn auch eine Prise privater Betroffenheit eingeschlichen. Die Botschaft: Uns geht es wie dir, Bürger, auch Minister würden liebend gerne in Rudeln feiern, sie leiden mit dir unter der Kontaktdiät.

"Wir sind alle Mensch"

Auf Puls 4 "Bürgerforum", der Kanzler tritt an. Es ist die wochenlange Sperrstunde abermals zu begründen, und Kurz wird gleich persönlich. "Wir sind alle Mensch", eröffnet er und schildert seinen Fall: Er war mit einem Freund joggen und sei beim Abstandhalten gescheitert. Trotz Bemühungen funktioniere es nicht. Wir sind eben nur Menschen, und wenn solche zusammenkommen, wollen sie zusammenrücken. Im Übrigen, so der Kanzler, der zu einfachen Merksätzen greift, als ginge es darum, Kindern etwas zu erklären: Je höher die Infektionszahlen, desto schwieriger seien sie runterzubringen.

Lockdown hätte "schon vor vier Wochen gutgetan"

Wäre es nach ihm gegangen, hätte uns ein Lockdown "schon vor vier Wochen gutgetan". Aber auch so, sagt Kurz, kommen wir "hoffentlich in eine etwas stärkere Normalität zurück". Solche Aussichten werden vielleicht auch die Wut jener etwas dämpfen, die Corona noch immer für eine Grippe halten. Was empfiehlt ihnen Kurz, fragt Corinna Milborn? Sie mögen ein Gespräch mit Ärzten suchen, sagt Kurz. Natürlich nicht, um ihren Geisteszustand prüfen zu lassen. Eher, um die Lage in den Spitälern verstehen zu lernen.

"Vernunftbegabte Wesen"

Später wird Rudolf Anschober, der uns "für vernunftbegabte Wesen" hält, bei diesem Themenkomplex warnen: Sicher sei nur, dass die Situation in den Spitälern nächste Woche eng würde. Dass Lokale öffnen können, sei hingegen fraglich, antwortet der Minister. Er ist übrigens zugeschaltet, nicht leibhaftig anwesend. Auch er hat wohl zuvor einen Merkspruch des Kanzlers gehört: "Wie weit wir mit den Zahlen runterkommen, das entscheidet darüber, wie viel wir öffnen können." Wobei: Schule und Handel werden nach dem Lockdown sicher aufgesperrt. Aber der Rest? Wann endet der soziale Tiefschlaf? Wann wieder Kultur? "Kultur fehlt uns allen", wird Kurz wieder persönlich. Aber "kein Mensch der Welt kann das beantworten". Der vielen Worte dieses "Bürgerforums" kurze Botschaft: Ab in die Hauspatschen, trefft niemand! Es ist eine seltsame Zeit. (Ljubiša Tošić, 17.11.2020)