Der erste Eindruck, wenn man Big Sur hochfährt.

Foto: STANDARD, aam

Vergangene Woche hat Apple mit der Ankündigung seines eigenen M1-Chips die Laptop-Welt aufhorchen lassen. Kurz danach wurde auch die neue Generation des MacOS-Betriebssystems ausgerollt: Big Sur. Eine Vielzahl an kleinen Veränderungen macht den zuletzt verlorenen Boden gut und lässt einen sehr runden Gesamteindruck beim Testen zurück.

Erste Frage: Updaten oder nicht

Zum Start eines neuen Betriebssystems sollte man, sofern man nicht unbedingt muss, abwarten. Erste Meldungen zu Problemen mit älteren Macbook Pros haben bereits die Runde gemacht, und langjährige Apple-Begleiter wissen um die Fragilität zu Beginn eines solchen Generationenwechsels. Arbeitet man täglich mit dem Mac, dann sollte man zumindest das erste Update abwarten, das in den nächsten Tagen oder Wochen mit Sicherheit das Licht der Welt erblicken wird. Wer es nicht erwarten kann, sollte sich in die neuen Möglichkeiten hier schon einmal in Ruhe einlesen.

Neuer Look

Schon beim ersten Hochfahren fällt einem das neue, frischere Design auf, das im Gegensatz zu früheren Updates wesentlich markanter ausgefallen ist. Als Besitzer eines iPhones oder iPads fühlt man sich an das Icon-Design von iOS erinnert. Manche dieser Icons wurden tatsächlich an ihr iOS-Gegenstück angepasst, etwa Music oder Safari, andere zumindest merklich abgerundet. Damit wirkt das Gesamtbild unaufdringlicher, auch weil jetzt viel mehr Transparenzeffekte genutzt werden, die generell eine gewisse Leichtigkeit vermitteln.

Die neugewonnene Transparenz sieht schick aus, alle Apps sind jedoch noch nicht optimiert.
Foto: STANDARD, aam

So ist etwa die Menüleiste, die früher in Weiß gehalten war, jetzt transparent und dem Hintergrund farblich angepasst. Die Icons in der Leiste ändern ihre Farbe je nach Helligkeit des gewählten Wallpapers. Ein dunkler Hintergrund führt zu weißen Icons, ein heller Hintergrund färbt die Icons schwarz. Die Lesbarkeit steht im Vordergrund.

Leider gehen nicht alle Apps diesen Schritt aktuell mit. Dropbox zum Beispiel bleibt stur in Weiß, was ärgerlich ist und nur umgangen werden kann, indem man die Transparenz im Menü deaktiviert.

Wie man auf den Screenshots erkennt, sind die Abstände zwischen den einzelnen Icons größer als in der Vergangenheit ausgefallen. Auch an den Rändern hat man nicht gespart, wodurch alles etwas aufgeräumter und moderner aussieht.

Touch-Features ohne Touchscreen

Von iOS übernommen wurde das Kontrollzentrum, das Features wie WLAN, Bluetooth, Lautstärke und Ähnliches an einem Ort zusammenfasst. Wer ein iOS-Device zu Hause hat, ist schnell verführt, die gesammelten Buttons mittels Berührung mit dem Finger steuern zu wollen. Das funktioniert aufgrund der nichtvorhandenen Touch-Fähigkeit des Macs nicht, und so fragt man sich, warum Apple diesen Schritt gegangen ist. Für Mac-User bedeutet das keine Ersparnis zum alten Design. Ungeduldige Menschen können deshalb die einzelnen Punkte, die sie nicht ohnehin via Tastatur regeln, als Icons zurück in die Menüleiste ziehen.

Das neue Kontrollzentrum erinnert an iOS.
Foto: STANDARD, aam

Nachrichten auf einen Blick

Intuitiver für eine klassische Tastatursteuerung ist da die Überarbeitung der Nachrichtenzentrale, die man den eigenen Bedürfnissen sehr präzise anpassen kann. Widgets wie Aktienkurse, Kalender oder Podcasts können auf Wunsch angezeigt und in ihrer Größe verändert werden. Pro App werden neue Nachrichten gruppiert, was die Übersichtlichkeit wahrt. Insgesamt sowohl in der Übersichtlichkeit als auch in seiner Funktionalität ein Fortschritt.

Heimat: Safari

Trotz der Popularität von Fremdbrowsern wie Chrome erfreut sich Safari unter Mac-Usern noch immer großer Beliebtheit. In diesem Jahr hat Apple seinem vorinstallierten Browser gleich mehrere Upgrades verpasst. Beispiele sind etwa die Möglichkeit, das Hintergrundbild individuell anzupassen oder sich von Siri neue Websites vorschlagen zu lassen. Außerdem gibt es im App-Store eine eigene Seite für Safari-Erweiterungen, die Features, die etwa Chrome schon länger mitbringt, endlich ebenfalls ins Repertoire nimmt. Da finden sich neben Grammarly auch Ghostery oder Honey sowie das Versprechen, in den kommenden Monaten die Auswahl zu erweitern.

Die neue Voransicht für Tabs kann praktisch sein.
Foto: STANDARD, aam

Ein praktisches Feature ist zudem die Tab-Vorschau. Sobald der Mauszeiger über einen Tab bewegt wird, öffnet sich eine kleine Vorschau auf die jeweilige Website. Das macht auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so viel Sinn, aber wer zum Beispiel viel mit Google Docs arbeitet und mehrere Dokumente mit demselben Tab-Icon offen hat, kann so einfach und schnell einen Blick auf den jeweiligen Inhalt werfen.

Es gibt noch zahlreiche andere Beispiele, warum Safari demnächst wohl mehr genutzt werden sollte. Das fängt bei zusätzlichen Sicherheitseinstellungen an, geht über die neugewonnene Geschwindigkeit beim Laden von Seiten und endet beim geringen Stromverbrauch im Vergleich zu Browsern wie Chrome. Hier hat Apple wirklich viel richtig gemacht.

Safari zieht in vielen Punkten mit der Konkurrenz zumindest gleich.
Foto: STANDARD, aam

Aufgeräumte Nachrichten

Für Leute, die primär im Apple-Universum mit anderen kommunizieren, ist die Nachrichten-App sicher eine vielgenutzte. Eine eingebaute Bildsuche, diverse Memoji-Sticker und die Möglichkeit, Nachrichten zu pinnen, was speziell in größeren Gruppen notwendig sein kann, fallen hier positiv auf. Eine der wichtigsten Funktionen ist mit Sicherheit die Möglichkeit, direkt auf Nachrichten zu antworten, um auch in vielbesuchten Chats die Übersicht zu behalten. Via @-Zeichen kann endlich auch jemand direkt adressiert werden. Insgesamt viele sinnvolle Neuerungen, die das Leben einfacher machen.

Der Kampf mit Google Maps

Auch bei "Karten" hat man nachgebessert, auch wenn man in Österreich nur von einigen Features bereits profitiert. Die zuletzt besuchten Orte werden in einer links eingeblendeten Leiste angezeigt, wählt man eine Adresse, sieht man sinnvolle Informationen dazu, etwa Tripadvisor-Bewertungen oder diverse Fotos. Eine Route zum gewünschten Ziel kann man sich selbstverständlich auch gleich anzeigen lassen.

"Karten" verfügt hierzulande erst über einen Teil der möglichen Features.
Foto: STANDARD, aam

Leider noch nicht unterstützt werden Routenangaben für öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder, was in anderen Ländern bereits möglich ist. Wann und ob Österreich hier folgen wird, ist noch unklar. Auch hierzulande noch nicht unterstützt ist das neue 360-Grad-"Look Around"-Feature, mit dem man sich, ähnlich wie bei Google Maps, am gewünschten Ort umsehen kann.

100 kleine Dinge

Neben den aufgezählten Features gibt es noch einige andere Kleinigkeiten, die entweder längst überfällig waren oder jetzt praktischerweise angepasst wurden. Beispielsweisse werden Airpods jetzt besser erkannt, auch wenn sie zuletzt mit dem iPhone verbunden waren, und man sieht in Apple Arcade angezeigt, welche Freunde gerade online sind. Grundsätzlich Funktionen, die man auch früher hätte anbieten können, die aber zumindest jetzt verfügbar sind.

Fazit und der Blick in die Zukunft

Big Sur ist bereits für die kommende Chip-Generation von Apple optimiert, das heißt, speziell in der kommenden Mac-Generation werden wir sehen, wie viel noch aus Big Sur herauszuholen ist, insbesondere was Performance und Akkulaufzeit betrifft. Für aktuelle User ist die neue Generation des Betriebssystems eine Sammlung an kleinen, aber feinen Verbesserungen, die in Summe ein spürbar runderes Erlebnis auf dem Mac bieten.

Widgets können angepasst, gelöscht oder hinzugefügt werden.
Foto: STANDARD, aam

Viele der neuen Features waren überfällig, andere wirken derzeit noch nicht hundertprozentig praktikabel. Die offensichtliche Annäherung an iOS zeigt aber mit Sicherheit die Richtung an, in die Apple in den kommenden Monaten und Jahren gehen wird. Big Sur markiert hierfür einen gelungenen Start. (aam, 17.11.2020)