Der Chemiker Stefan Freunberger in seinem Labor am Institute of Science and Technology Austria, das er heuer bezogen hat.

Foto: IST Austria

Bei den Lithium-Ionen-Batterien, die heute vom Handy bis zum Elektroauto Standard sind, gibt es – was ihre Kapazität anbelangt – durchaus noch Luft nach oben. Eine Optimierung der Elektrodenmaterialien könnte ihre Speicherfähigkeit noch einmal beträchtlich verbessern.

Doch ein Problem bleibt. Die Förderung von Lithium ist aufwendig und umstritten. Von der im Vergleich zu fossilen Brennstoffen sauberen Energietechnik erwartet man nicht, dass der erforderliche Rohstoffabbau im "Lithium-Dreieck" von Bolivien, Chile und Argentinien das Grundwasser absenkt und die Feuchtgebiete einer ohnehin trockenen Gegend gefährdet.

Hauptgruppenelemente

Eine leistungsfähige Alternative zu Lithium-Ionen ist also so etwas wie ein Heiliger Gral der Energiespeicher-Forschung. Gerade Hauptgruppenelemente wie Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel oder Kohlenstoff, gepaart mit Natrium oder Kalium, versprechen dabei auch große Vorteile gegenüber Lithium.

"Das Gute dieser Elemente ist, dass sie in großen Mengen vorhanden sind. Sie sind auch Teil der belebten Natur. Organismen können mit ihnen etwas anfangen und sie gegebenenfalls auch wieder abbauen", skizziert der Chemiker Stefan Freunberger die Vision einer biologisch abbaubaren Batterietechnik.

Freunberger wechselte im Frühling ans Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg, wo er dabei ist, eine neue Arbeitsgruppe zur Erforschung grundlegender Zusammenhänge der Elektrochemie aufzubauen. "In vielen Bereichen der Batterieentwicklung fehlt gerade das Wissen über die wirklich fundamentalen Mechanismen", sagt der Wissenschafter. Auch wenn es funktioniert, weiß man oft nicht ganz genau, warum.

Freunbergers Arbeit könnte aber nicht nur eine Basis für die Entwicklung künftiger Stromspeicher abgeben, potenzielle Anwendungen liegen auch in ganz anderen Bereichen, etwa in der Pharmazie oder der Biologie. "Wir arbeiten seit kurzem mit einer Gruppe im Bereich der Life-Sciences zusammen. Viele fundamentale Prozesse des Lebens betreffen die Wanderung von Stoffen oder ganzer Zellen aufgrund eines elektrischen Potenzialunterschieds", gibt der Chemiker ein Beispiel. Ein Vorgang, der stark an die Mechanismen in Batterien erinnert.

Sauerstoffspeicher

Bisher konzentrierte sich die Forschung Freunbergers vor allem auf Sauerstoff als Mittel der Energiespeicherung. In biologischen Systemen spielt das Element in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Theoretisch wäre es auch in Batteriesystemen nutzbar und würde eine besonders hohe Kapazität bei geringem Gewicht versprechen.

Doch so wie bestimmte Sauerstoffvarianten in der Biologie für die Zellalterung verantwortlich sind, lassen sie auch die Materialien in den Batterien erodieren und schnell altern. Es braucht also auch hier geeignete "Antioxidantien", die diesem Phänomen entgegenwirken und möglichst viele Lade- und Entladezyklen erlauben.

Freunberger konnte mithilfe eigens entwickelter Messmethoden zeigen, dass eine bestimmte, besonders reaktive Sauerstoffform – sogenannter Singulett-Sauerstoff – hauptausschlaggebend für diesen schnellen Alterungsprozess der Luft-Batteriesysteme ist. Die Variante entsteht beispielsweise auch bei der Photosynthese von Pflanzen und sorgt bei ihnen für oxidativen Stress.

Die Wissenschafter haben nun neue Mediatormaterialien und "Löscher" vorgeschlagen, die die Bildung oder Wirkung des Singulett-Sauerstoffs unterbinden. Entsprechende Studien von Freunberger und Team wurden in den renommierten Journalen Nature Energy,Nature Communications und Angewandte Chemie veröffentlicht.

Organische Elektronenleiter

Doch noch ist man bei den Luft-Batterien nicht ganz dort, wo man für eine Praxisanwendung hinmüsste. Auch wenn die Degeneration der Systeme mit den neuen Methoden wesentlich langsamer vor sich geht, bleiben noch einige letzte Meter bis zum Ziel.

Freunberger schlägt als weitere Lösung etwa organische Elektronenleiter für den Beladevorgang vor. "Bisherige Ansätze in diesem Bereich waren etwas blauäugig. Wir haben uns sehr detailliert damit auseinandergesetzt und ein sehr enges Fenster an Parametern gefunden, wie man laden könnte, ohne dass Singulett-Sauerstoff entsteht", erklärt der Chemiker. "Wir wissen also, wo wir hinmüssen, aber der Elektronenleiter, der diese Vorgaben erfüllen kann, muss noch gefunden werden."

Ein weiteres interessantes Element für künftige Stromspeicher, dem sich Freunberger nun widmet, ist Schwefel. Eine darauf aufbauende Batterietechnik wäre im Vergleich zu Lithium-Ionen viel leichter. Dank des besser verfügbaren Rohstoffs könnte sie letztlich auch viel günstiger sein.

"Schwefel-Batterien werden schon lange erforscht. Das Problem ist, dass die Kapazität schnell abnimmt. Man weiß aber erstaunlich wenig über mechanistische Hintergründe dieser Einbußen. Auch hier gab es zwar viel Entwicklungsarbeit, aber wenig Grundlagenforschung", sagt Freunberger, der das nun ändern möchte.

Im interdisziplinären Austausch mit anderen Arbeitsgruppen am IST Austria sollen auch neue Untersuchungsmethoden für die elektrochemischen Reaktionen entwickelt werden. Auch hier lässt man sich von Biologie und Life-Sciences inspirieren.

Die Kryoelektronenmikroskopie lässt etwa eine Aufnahme von Proteinen oder Viren nahe jener Form zu, in der sie natürlich auftreten – Proben werden also bei der Aufbereitung nicht stark verändert, allerdings einem sehr schnellen Gefriervorgang auf fast minus 200 Grad Celsius unterzogen.

Livebild aus der Batterie

Freunberger möchte die experimentellen Batterien einer ähnlichen Prozedur unterziehen und sie tiefkühlen, um Zwischenstufen und Reaktionsmechanismen in den ablaufenden Prozessen dingfest zu machen. Einen ähnlichen Zweck verfolgt die sogenannte Operando-Spektroskopie, die man in der Arbeitsgruppe weiter ausbauen möchte.

Die Vorgänge in den elektrochemischen Zellen sollen live beobachtbar werden – und mehr Einsicht geben als die früheren Vorher-nachher-Aufnahmen. Mit dem Wissen können dann gezielt Zellkomponenten verändert werden, um Kapazitätsverluste zu verhindern.

Dass die Erforschung elektrochemischer Grundlagen für überraschende Anwendungen auch abseits der Batterieforschung sorgen kann, zeigt ein Beispiel aus der Pharmazie. "Mit der Aufgabenstellung, wie man den Singulett-Sauertoff in Batterien vermeiden kann, haben wir auch gelernt, wie man sehr viel davon erzeugen kann. Das könnte sich als nützlich in der Elektrosynthese bestimmter Medikamente erweisen", erklärt Freunberger. "Es ist also immer wichtig zu fragen, was man in der Forschung über den unmittelbaren Zweck hinaus lernen kann." (Alois Pumhösel, 28.11.2020)