Floristen haben zu, das Geschäft mit Adventkränzen bleibt Supermärkten vorbehalten. Diese müssen sich im November aber auf ihr Kernsortiment konzentrieren. So will es die Regierung. Große Händler wehren sich.

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Wien – Topartikel zum Sensationspreis", verspricht eine Tafel in großen Lettern. Mixer, Wasserkocher, Kaffeemaschinen, Töpfe und Pfannen werden hier in der Merkur-Filiale im Wiener Kaufhaus Gerngross zum Schnäppchenpreis angepriesen. Doch wer rasch zugreifen will, stolpert über ein kleineres Schild. Von Solidarität mit anderen Händlern ist hier die Rede. Man wolle nicht auf dem Rücken derer, die während des Lockdowns schließen müssen, Umsatz machen, lässt die Supermarktkette wissen.

Bis 6. Dezember verkaufe sie daher nur Lebensmittel, Sanitärartikel und Tierfutter. Warum die Küchenhelfer dann noch in der Auslage stehen? So schnell lassen sich die Regale halt nicht leerräumen, erläutert eine Verkäuferin. An den Kassen seien die Waren aber auf jeden Fall bereits blockiert.

Rewe will sich beim Verkauf von Non-Food auf Anweisung der Regierung in den kommenden drei Wochen zurückhalten. Interspar, Hofer, Lidl und die Drogerie Müller hingegen, deren Geschäfte traditionell weit stärker auf Sortimente abseits von Lebensmitteln begründet sind, tun es einhellig nicht. Sie halten die vom Sozialministerium verordnete Beschränkung des Warenangebots für gesetzes- und verfassungswidrig. Die Behörde droht mit Strafen von 3600 Euro pro Vergehen.

Ruhe nach dem Sturm

Interspar geht am Dienstag, dem ersten Tag des neuerlichen Stillstands im Handel, über vor Aktionen. Ob Staubsauger, Küchenmaschinen, Unterwäsche, Bademäntel oder Filzpantoffeln: Das breite Angebot treibt Fachhändlern, die hinter geschlossenen Türen sitzen, wohl Tränen in die Augen. Auch in der Drogerie Müller stapeln sich Spielzeug, Multimediageräte, Parfums und Schreibwaren. Von Absperrungen oder Schließung einzelner Abteilungen, die sich Müller beim ersten Lockdown im Frühjahr zumindest zeitweise in Form eines Zickzackkurses verordnete, wissen Mitarbeiter in der Mariahilfer Straße nichts. So groß das Angebot, so gering ist freilich der Ansturm der Kunden. Noch wirken die Verkäufer fast verloren zwischen den weitläufigen Regalen.

Auch die Mariahilfer Straße selbst ist an diesem Dienstag ein Ort der Beschaulichkeit. Jogger teilen sich mit Radfahrern die breite Straße. Sie alle werden trotz hellsten Sonnenscheins von Weihnachtsbeleuchtung illuminiert. Das kann ja wohl nur ein Testlauf sein, brummt ein älterer Herr kopfschüttelnd, der mit seinem Hund Gassi geht. Mit ein bisserl weniger Arbeit in nächster Zeit rechnet ein Mitarbeiter der MA 48, der gerade die Straße reinigt. "Aber ganz weg geht der Dreck nie." (Verena Kainrath, 18.11.2020)

FÜR

Der November ist für den Handel der zweitwichtigste Monat des Jahres, der Dezember der wichtigste. Was in diesen Wochen an Geschäft verlorengeht, lässt sich danach niemals mehr aufholen. Der gute Vorsatz mancher Supermärkte, das Angebot an Non-Food aufgrund der Schließung anderer Händler nicht gezielt auszudehnen oder schon gar nicht offensiv zu bewerben, klingt für Unternehmer, die ihr Weihnachtsgeschäft zwischen den Fingern zerrinnen sehen, wie blanker Hohn.

Viele leben vom Saisongeschäft und kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Was sie rund um Weihnachten oder Ostern verdienen, hilft ihnen dabei, finanziell durch das restliche Jahr zu kommen. Nun nahezu handlungsunfähig zusehen zu müssen, wie sich jene, die vom Gebot, offenhalten zu dürfen, ohnehin schon profitieren, und sich jetzt mit Non-Food auch noch reichlich Butter aufs Brot schmieren, trifft sie ins Mark.

Jagd nach Schnäppchen

Konsumenten sind Schnäppchenjäger. Viele kaufen spontan und aus Emotion heraus quasi im Vorbeigehen. Neben Lebensmitteln ungeplant auch noch Spielzeug oder neue Handschuhe ins Wagerl zu packen, liegt auf der Hand.

Die Supermärkte können sich hohe Rabatte für Waren abseits ihres Kernsortiments finanziell locker leisten. Denn ihr Geschäft basiert auf Mischkalkulation. Der günstige Flachbildschirm ist beliebter Lockartikel, ihre Gewinne erzielen sie anderswo.

Die vom Staat versprochenen Hilfen werden nicht alle Betriebe retten, denen bis 6. Dezember die Hände gebunden sind. Der stationäre Modehandel etwa pfeift bereits jetzt aus dem letzten Loch. Ihm setzt der Onlinehandel ohnehin schon genug zu. Der ökologische Fußabdruck, den dieser hinterlässt, ist jedenfalls zu groß. (vk)

WIDER

Aus Sicht der Konsumenten spricht vieles dafür, das Sortiment in Drogerien und Supermärkten in Zeiten der Krise nicht künstlich einzuschränken. Was ist, wenn es auf die Schnelle Ersatz für einen kaputten Staubsauger oder Haarfön braucht? Was, wenn Blumen und Spielzeug gerade in Zeiten des Lockdowns der Seele guttun?

Nicht jede Anschaffung lässt sich drei Wochen lang hinausschieben. Zumal es sich im Dezember im stationären Handel kurz vor Weihnachten erst recht vor Kunden stauen wird.

Die Alternative ist der Weg in den Onlinehandel. Und dieser führt nach wie vor überwiegend zum US-Riesen Amazon, dem Meister der Flucht in Steuerparadiese und Gottseibeiuns der Arbeitnehmervertreter. Wertschöpfung geht verloren, Schaden für die Volkswirtschaft ist programmiert.

Zäune unpraktikabel

Sortiment kurzfristig aus den Regalen zu werfen klingt einfacher, als es ist. Vieles hat der Handel Monate bis ein Jahr im Voraus bestellt. Seine Lager sind begrenzt und teuer, der logistische Mehraufwand ist nicht zu unterschätzen. Auch lassen sich schwer Zäune rund um verbotene Regale aufziehen, abgesehen davon, dass viele Warengruppen ohnehin bunt gemischt sind. Und Kunden, die für Absperrungen kein Verständnis zeigen, in Zaum zu halten, wird so manchen Verkäufer überfordern.

Sind Non-Food-Artikel wie Spielzeug und Blumen zudem seit Jahrzehnten Teil des Portfolios, ist der Antrieb auf eine Kehrtwende der Supermärkte gleich null.

Ihr Mitleid mit kleinen Mitbewerbern hält sich in Grenzen. Diese erhalten vom Staat ihre Umsatzverluste abgefedert. Bis zu 60 Prozent des November-Vorjahresumsatzes lassen sich durchaus sehen. (vk)