Es war ein langwieriger Prozess, der Ende 2018 Birgit Hebein zur Spitzenkandidatin der Grünen bei der Wien-Wahl 2020 gemacht hat. Nun scheint die aufwendige, monatelange interne Wahl über die Nachfolge von Maria Vassilakou vergessen.

Birgit Hebein wird nicht im künftigen grünen Gemeinderatsklub sitzen. Sie bleibt aber Parteichefin der Grünen und will außerhalb des Gemeinderats agieren.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Hebein, die sich damals mit 1244 Stimmen der grünen Basis im vierten Wahlgang gegen ihren Kontrahenten, den grünen Planungssprecher Peter Kraus (1138 Stimmen) durchgesetzt hat, legt noch vor der Angelobung des neuen Gemeinderats ihr Mandat nieder. "Wenn der Grüne Klub im Rathaus mehrheitlich kein Vertrauen mehr in mich hat, dann werde ich auch mein Gemeinderatsmandat nicht annehmen – denn ich mache keine halben Sachen", schrieb Hebein am Mittwoch in einem langen Facbook-Posting.

Doch wie kam es dazu, dass gerade jene Grünen-Chefin, die mit 14,8 Prozent das historisch beste Ergebnis der Grünen bei einer Wien-Wahl erreicht hat, nun den Klub verlässt?

Wie DER STANDARD berichtete, kandidierte Hebein in der internen Klubsitzung erst für die beiden nicht amtsführenden Stadtratsposten, die den Grünen aufgrund ihres Wahlergebnisses zustehen, dann für den Job der Klubchefin. Doch in keine der Funktionen wurde Hebein auch gewählt. Das Ergebnis des Klubs fiel eindeutig aus. In der ersten Abstimmung unterlag sie Planungssprecher Kraus mit 3:13 Stimmen. Auch in der Abstimmung um den zweiten Stadtratsposten konnte sich Hebein nicht durchsetzen. Quereinsteigerin Judith Pühringer, die Hebein selbst in die Partei geholt hatte, machte das Rennen um den zweiten Stadtratsposten.

Kein Interesse an Konflikt

"Ich bin als Sachpolitikerin an internen Konflikten genauso wenig interessiert, wie an den Machtspielchen meines Partners in der bisherigen Regierungskoalition."

Zuletzt versuchte es Hebein auch noch als Klubchefin. Nach dem Aufrücken weiterer Mandatare in den Rathausklub setzte sich jedoch der amtierende Klubobmann David Ellensohn 14:4 gegen Hebein durch. Spitzenkandidatin Hebein ging am Ende des Tages leer aus. "Ich nehme die mehrheitliche Entscheidung des Klubs, mich intern nicht gewählt zu haben, zur Kenntnis", betonte Hebein am Mittwoch erneut. Als Sachpolitikerin sei sie "an internen Konflikten genauso wenig interessiert wie an den Machtspielchen meines Partners in der bisherigen Regierungskoalition", schrieb Hebein.

Das Vertrauen dürfte dem Grünen Klub spätestens nach den Sondierungsgesprächen abhandengekommen sein. Bei diesen hatte es Hebein bekanntlich nicht geschafft, Ludwig von einer neuerlichen Zusammenarbeit zu überzeugen. Dabei sollen die Grünen der SPÖ deutliche Angebote gemacht haben. Für den kleinen Koalitionspartner soll alles verhandelbar gewesen sein – auch das Verkehrsressort, heißt es.

Rot-Grüner Streit um Verkehrsprojekte

Denn gerade der Streit um eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt mitten im Wahlkampf oder Hebeins Pop-up-Radwege auf Kosten des Individualverkehrs haben bei den Roten und auch bei Ludwig selbst für schlechte Stimmung gesorgt. Die Beziehung von Hebein und Ludwig soll vor der Wien-Wahl immer weiter abgekühlt sein.

Die Bezirksvorsteherin des Zweiten, Uschi Lichtenegger (links) und Birgit Hebein (rechts) eröffneten im Früh Jahr den ersten Pop-up-Radweg in der Praterstraße.
Foto: Christian Fischer

Und auch nach der Wahl ging es nicht besonders rosig weiter. Noch vor dem Start der Sondierungsgespräche wurde an Hebein gezweifelt – intern wie extern. So hörte man aus beiden Koalitionsparteien, Ludwig könne einfach nicht mit Hebein. Ohne Änderungen an der grünen Spitze sei eine Fortführung von Rot-Grün sehr unwahrscheinlich.

Auch wenn es laut Bürgermeister Ludwig nicht das Persönliche, sondern die Inhalte waren, die ihn für Christoph Wiederkehr – damit für Rot-Pink – entschieden ließen: Diese Erzählung bleibt bestehen. Mit Hebein wurde eine Schuldige für das Ende von Rot-Grün gefunden.

Die Entscheidung innerhalb des grünen Klubs fiel zwar eindeutig aus, in der Partei stößt sie aber auch auf Unverständnis. Am lautesten tat diese die designierte Gemeinderätin Victoria Spielmann kund. Sie kämpfe "gegen Entscheidungen, die durch die Hintertür gegen den Willen der Basis getroffen werden".

Showdown am Samstag

"Die richtigen Worte zu finden, fällt gerade schwer."

Die Entscheidung Hebeins, nicht in den Gemeinderat einzuziehen, hält Spielmann für "wahre Größe", Hebein stelle "Inhalte vor Posten", schreibt die ehemalige Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft auf Twitter. Sie verstehe den Schritt zwar, finde es aber auch schade, "dass wir nicht gemeinsam im grünen Klub für linke, ökosoziale Politik kämpfen werden".

"Seit Tagen versuche ich zu verstehen, was bei den Wiener Grünen los ist", schrieb auch Alev Korun. Die ehemalige Nationalratsabgeordnete der Grünen verstehe nicht, wie man nach "einem breiten Beteiligungsprozess samt SpitzenkandidatInnen-Wahl" ebendiese nun "abmontieren" könne. Die Suche nach einem Schuldigen hier sei "kindisch, unreif und übrigens auch undemokratisch". Korun erklärte zudem sie halte es "für einen Riesenfehler, was der Grüne Rathausklub beschlossen hat".

Schwer zu erreichen

Ganz allgemein gaben sich die Wiener Grünen am Mittwochnachmittag aber zugeknöpft. Mit der Stellungnahme Hebeins sei alles gesagt, hieß es von der Partei, ein Gros der grünen Gemeinderäte ist seit Tagen nur schwer zu erreichen.

Einen Showdown könnte es dieses Wochenende geben. Am Samstag tagt die grüne Landesversammlung. Sie wurde zu einem Zeitpunkt einberufen, als man in der Partei hoffte, man werde über einen Koalitionspakt abstimmen können.

Doch es wird wohl auch um den Umgang mit Hebein gehen, das kündigte auch Korun an: "Wir werden am Samstag bei der Landesversammlung über diese Entwicklungen Klartext reden müssen."

Über Hebeins Posten als Parteivorsitzende wird auf der Landesversammlung nicht diskutiert. Die Funktion will die amtierende Vizebürgermeisterin – zumindest vorerst – behalten.

Hebeins Platz im Rathausklub geht an den Penzinger Bezirksrat Kilian Stark. Er hat bisher in Hebeins Büro als Verkehrsreferent gearbeitet. (Lara Hagen, Oona Kroisleitner, David Krutzler, 18.11.2020)

Anmerkung: Neben Birgit Hebein haben auch Judith Pühringer und Peter Kraus auf ihr Mandat verzichtet, die beiden gehören als nicht amtsführende Stadträte dem Stadtsenat an.