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Im Juli 2009 wechselte Ivanschitz von Panathinaikos Athen zum 1. FSV Mainz 05, wo er vier Jahre lang – unter anderem unter Trainer Thomas Tuchel – kickte.

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Vor zwei Jahren ging Andreas Ivanschitz in den Ruhestand. Wobei, der Begriff hinkt. Der 37-Jährige wurde nach 19 Jahren im Profifußball Unternehmer und investierte in drei Wiener Start-ups. Ende Oktober kam ein weiterer Job dazu: Der gebürtige Burgenländer ist neuer Ausbildungsmanager beim First Vienna FC. Er ist vom Konzept des Vereins aus Döbling überzeugt, weil es Kinder zum Sporteln motiviert. Die Kampfmannschaft des Viertligisten zog kürzlich mit einem 2:1 über Altach sensationell ins Cup-Viertelfinale ein.

STANDARD: Sie haben lange im Ausland gelebt. Aktuell müssen wir daheimbleiben, können Sie für uns den Reiseführer spielen?

Ivanschitz: Meine Auslandskarriere begann in Athen, eine Stadt mit vielen Sonnenstunden und großer Historie. Die Geschäfte, Cafés und Restaurants haben damals floriert, es war ein super Lifestyle. Dann zogen wir nach Wiesbaden. Das Leben dort war deutlich strukturierter. Die Menschen waren überraschend offen. Das Gesamtpaket war aber in Valencia am besten. Es war ein lang ersehnter Traum, in der spanischen Liga zu spielen. Wir lebten etwas außerhalb und genossen das gute Essen und Wetter. Die Stadt hat viele nette Platzerl.

STANDARD: Dann gingen Sie in die USA.

Ivanschitz: In Seattle bekamen wir das komplette Paket geboten: Natur pur, aber in den Wintermonaten viel Niederschlag. Gleichzeitig bot die Stadt alle Möglichkeiten. Seattle wäre es wert gewesen, meine Karriere noch einige Jahre fortzusetzen. Leider wurde mein Vertrag nicht verlängert und die Reise ging weiter. Wir zogen nach Prag: Geschichtlich spannend, mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Wien.

STANDARD: Warum haben Sie sich nun in Wien niedergelassen?

Ivanschitz: Wir wollten "nach Hause" kommen, haben hier ein gutes Netzwerk und ein großartiges Bildungsangebot. Unsere drei Kinder besuchten stets internationale Schulen. Sie können jetzt in Wien den Weg an einer englischsprachigen Schule weitergehen. Das wäre sonst nur mit langem Pendeln verbunden gewesen.

STANDARD: Mit 14 Jahren zogen Sie vom burgenländischen Baumgarten nach Wien. Mit welchem Gefühl?

Ivanschitz: Ich war sehr nervös, zugleich aber euphorisch, weil ich in die Akademie von Rapid wechselte. Im Nachhinein finde ich es schade, dass ich das Stadtleben nicht mehr ausgekostet habe. Jetzt schätze ich es viel mehr. Wien schneidet in Ranglisten zur Lebensqualität zurecht gut ab, ist sauber und man fühlt sich auch sicher. Der Satz klingt nach dem Anschlag surreal.

STANDARD: Der Attentäter verübte den Anschlag im Bermudadreieck. Was verbinden Sie mit diesem Grätzl?

Ivanschitz: Ich war in der Jugend ein paar Mal dort feiern, aber nur äußerst selten. Viele meiner Freunde gehen im Grätzl essen, manche wohnen auch dort. Sie schwärmen immer wieder, wie schön es ist. Heute sprechen sie von Glück, an jenem Abend nicht dort gewesen zu sein. Die Erschütterung ist spürbar, es hat ganz Wien stark getroffen.

STANDARD: Sie wohnten als Jugendlicher im Internat und besuchten die Schule in der Maroltingergasse. Was sind Ihre Erinnerungen?

Ivanschitz: Es war das Beste, was mir passieren konnte. Das Pendeln fiel weg, ich konnte mich besser auf die Schule konzentrieren. Der Unterricht war voll auf den Fußball abgestimmt. Wir durften Schularbeiten nachholen, wenn wir bei Turnieren waren. Das war schon cool. Ich schloss mit der Matura ab, obwohl ich dreimal pro Woche vormittags trainierte.

STANDARD: Rapid-Fans nahmen Ihnen den Transfer zu Red Bull Salzburg übel. Hatten Sie dadurch auch einen Grant auf Wien im Allgemeinen?

Ivanschitz: Mit dem großen negativen Echo habe ich nicht gerechnet. Es hatte große Auswirkungen auf mich. Ich machte mir viele Gedanken und beschloss, ins Ausland gehen, um die Freude am Sport wiederzufinden. Heute fühle ich mich aber äußerst wohl in Wien.

Im ÖFB-Dress machte Ivanschitz 69 Spiele und erzielte zwölf Tore.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Was sind Ihre Lieblingsplätze in Wien?

Ivanschitz: Ich verbringe viel Zeit auf Fußballplätzen, zwei meiner Kinder spielen im Verein. Wenn sich die Lage beruhigt, will ich das kulturelle Angebot der Stadt mehr nutzen. Ich komme aus einer musikalischen Familie: Mein Vater war erfolgreicher Musiker und spielte im Opernball-Orchester. Ich spielte lange Klavier und Oboe und bin bis heute musikverbunden. Mit meiner Frau schlendere ich gerne für einen Kaffee durch die Innenstadt, leider noch zu selten. Mit den Kindern waren wir öfters im Tierpark Schönbrunn. Ich merke selbst, das klingt wahnsinnig touristisch. Wir müssen Wien erst neu kennenlernen.

STANDARD: Ihre Kinder kicken bei der Vienna, jetzt sind Sie dort auch Ausbildungsmanager.

Ivanschitz: Während meine Kinder im Training waren, konnte ich in den letzten Monaten netzwerken. Das Ziel des Vereins ist, ein gutes Zuhause und eine gute Sportstätte zu bieten. Finanzielle Probleme wurden beseitigt, jetzt steht die Vienna auf einem gesunden Fundament. Das Männer-Team will in die Regionalliga, die Frauen in die Bundesliga. Ich spüre, dass die Vienna ein besonderer Verein ist, weil sie etwas entwickeln will. Bei der Vienna wird sich noch viel tun.

STANDARD: Liegt der Fokus von Traditionsvereinen wie der Vienna in Zukunft mehr auf dem Breitensport?

Ivanschitz: Die Kinder sind bei der Vienna in guten Händen. Eltern fühlen sich wohl, wenn sie sie zum Training bringen. Es wäre wichtig, viele solche Vereine zu haben, die es schaffen, Kinder in die Natur und zum Sport zu bewegen.

STANDARD: War das in Ihrer Kindheit noch anders?

Ivanschitz: Jugendliche hängen heute stark an elektronischen Geräten. Früher waren wir auf der Straße unterwegs, abends haben wir uns bei jemandem getroffen und gemeinsam gezockt. Jetzt ist das Angebot riesig und Kindern fällt es schwer, raus zu kommen. Sie können ja auch von daheim aus bequem mit Freunden Playstation spielen. Sport ist aber wichtig, Sport ist Leben.

STANDARD: Der Nachwuchsfußball ist aktuell stillgelegt. Was sind die Auswirkungen?

Ivanschitz: Den Kindern tut es nicht gut. Wenn man so eine Entscheidung trifft, weiß man das auch. Die Zeit im Freien wäre wichtig. Im Training kann der Abstand eingehalten werden, auch die Kabinen zu meiden wäre kein Problem. Die Kinder bekommen Trainingspläne für daheim, das kann aber nicht alles abfangen. Ich verstehe, dass es um die Gesundheit und die Kapazitäten in den Spitälern geht. Dafür müssen die Infektionszahlen runter, es war unumgänglich.

Ivanschitz ist der neue Ausbildungsmanager bei der Vienna.
Foto: First Vienna FC

STANDARD: Im Lockdown bekommen besonders Frauen mehr Aufgaben im familiären Bereich. Wie läuft das bei der Familie Ivanschitz?

Ivanschitz: Ich empfinde gegenüber meiner Frau eine große Dankbarkeit. Meine Karriere wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Sie machte jeden Transfer mit, organisierte die Umzüge und half den Kindern beim Eingewöhnen. Die Mama ist für unsere Kinder unersetzlich, das erkenne ich auch jetzt wieder. Ich kann mir meine Zeit gut einteilen und versuche, viel zu unterstützen.

STANDARD: Mittlerweile sind sie als Investor tätig. Sie sind Teilinhaber von drei Wiener Start-Ups.

Ivanschitz: Das macht viel Spaß. Bei Alpha Champ haben wir ein innovatives Trampolin entwickelt. Der Lockdown macht es schwierig. Wir führen sehr gute Gespräche mit möglichen Partnern und spüren auch die Unsicherheit aufgrund der aktuellen Lage. Mit Playerhunter bieten wir eine Scouting-Plattform im Amateurfußball, auf der sich Spieler selbst vermarkten und proaktiv bei Vereinen bewerben können.

STANDARD: Mit Eloop sind Sie auch im Bereich E-Mobilität tätig.

Ivanschitz: Wir wollen Privatautos aus der Stadt bekommen. Und wenn Leute innerstädtisch mit dem Auto unterwegs sein wollen, können sie das mit unserem Angebot CO2-neutral tun. Wir bieten auch eine Plattform für echtes Teilen des Autos an, an dem unsere Mitglieder direkt an Fahrtumsätzen mitverdienen. Wir spüren, dass ein Umdenken stattfindet. In der Stadt ist neben dem öffentlichen Verkehr das Carsharing die Zukunft. Unsere Flotte wird sehr stark genutzt.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die sportliche Lage von Rapid und Austria?

Ivanschitz: Das ist ein wunder Punkt. Die Fakten sind: Rapid zeigt phasenweise guten Fußball. Sie stehen ganz gut da, sportlich geht viel in die richtige Richtung. Bei der Austria läuft es etwas unrunder. Aber ich mag es nicht, nur anhand der Tabelle über Vereine zu urteilen. Ich bräuchte mehr Einblicke, um ein fundiertes Statement abzugeben. Alles andere wäre unfair.

STANDARD: Es gibt immer mehr Fußball im TV zu sehen. Wenn Sie sich entscheiden müssten für ein einziges pro Woche, welche Liga würden Sie schauen?

Ivanschitz: Eines ist schon sehr wenig.

STANDARD: Sie schauen also deutlich mehr.

Ivanschitz: Vor allem in Champions-League-Wochen. Am liebsten schaue ich meinen Kindern zu. Diese zwei Spiele am Wochenende sind Pflichttermine. Es macht mich glücklich zu sehen, wie viel Freude sie an dem Sport haben, den ich immer noch liebe. Hoffentlich dürfen sie bald wieder spielen. (Lukas Zahrer, 30.11.2020)