Die zweiteilige Aufnahme zeigt den Unterschied zwischen dem solaren Maximum (links) und der ruhigen Sonnenoberfläche während ihres Aktivitätsminimums.
Foto: NASA/SDO

Graz/Boulder – Das Auftreten von Sonnenflecken auf unserem Heimatgestirn folgt einem etwa elfjährigen Zyklus. Dieses nach dem deutschen Astronomen Samuel Heinrich Schwabe (1789 – 1875) auch als Schwabezyklus bezeichnete auf und ab geht einher mit Phasen erhöhter Aktivität, die wiederum abgelöst werden von ruhigen Perioden. Aktuell befinden wir uns am Ende eines Aktivitätsminimums. Ob die Sonnenaktivität der kommenden elf Jahre eher schwach oder doch heftiger ausfallen wird, ist umstritten.

Die Kommission der US-Weltraumbehörde Nasa ging bisher von einem eher schwachen Sonnenzyklus aus. Eine Studie des High Altitude Observatory in Colorado sagt dagegen einen der stärksten Zyklen seit dem 18. Jahrhundert voraus. Laut dem Grazer IWF könnten in diesem Fall im Schnitt bis zu fünf Sonnenstürme pro Monat in der Erdatmosphäre – und damit viele neue Daten – gemessen werden.

Gefahr für Stromnetze und Satelliten

Sonnenstürme, gigantische Wolken elektrisch geladener Sonnenteilchen, die mit hoher Geschwindigkeit über die Erde hinwegfegen, sind eine ernste Gefahr für unsere hochtechnisierte Gesellschaft. Sie werden von heftigen Eruptionen auf der Sonne verursacht und breiten sich als enorme Plasmawolken im Weltraum aus. In der Erdatmosphäre können sie elektromagnetische Störungen verursachen, die Kommunikations- und Energiesysteme negativ beeinflussen können, aber auch Satelliten ernsthaft gefährden können.

Forscher arbeiten an einem besseren Verständnis der Sonnenstürme und sind gespannt, was ihnen der kommende Sonnenzyklus an neuen Messdaten liefern wird. "Je mehr Möglichkeiten für Messungen uns die Sonne gibt, umso besser verstehen wir sie und umso besser werden wir lernen, wie wir extreme Sonnenstürme vorhersagen können", erklärte der Grazer Astrophysiker und Erstautor der jüngsten Studie, Christian Möstl.

Grafik: Die zurückliegenden und künftigen Zyklen.
Grafik: WDC-SILSO

Die Forscher des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben gemeinsam mit internationalen Kollegen anhand zweier konträrer Prognosen die Anzahl der Sonnenstürme berechnet, die im neu begonnenen Sonnenzyklus die Erde und etwa auch Raumsonden wie Solar Orbiter und die Parker Solar Probe betreffen könnten. Ihre Berechnungen haben sie im "Astrophysical Journal" veröffentlicht.

Stürmische Zeiten

Während der vergangenen elf Jahre war auf der Sonne eher wenig los. Der 24. Zyklus war einer der schwächsten seit Beginn der Aufzeichnungen vor rund 260 Jahren. Wie die Entwicklung weitergeht, wird kontrovers diskutiert: Eine Studie unter der Federführung des High Altitude Observatory zeigt aber, dass dies unter Berücksichtigung der Länge und Amplitude vorheriger Zyklen auch anders sein könnte und wir einen der stärksten Sonnenzyklen seit dem 18. Jahrhundert zu erwarten hätten.

Laut der neuen IWF-Studie würden in diesem Fall im Schnitt bis zu fünf Sonnenstürme pro Monat die Erde treffen. "Das wäre eine Situation, wie wir sie seit den 1990er-Jahren nicht mehr hatten. Wir würden uns freuen, wenn die Sonne im neuen Zyklus etwas aktiver ist, denn zurzeit sind etliche Sonden unterwegs, die Daten sammeln. Vom Instrumentarium her ist alles bestens angerichtet", sagte Möstl.

Video: Der Sonnenzyklus, vom Weltraum aus gesehen.
NASA Goddard

Hoffnung auf nie da gewesene Beobachtungen

Die im Jahr 2018 gestartete Parker Solar Probe der Nasa soll erstmals die äußere Schicht der extrem heißen Sonnenatmosphäre, die Korona, durchfliegen. Alle paar Monate nähert sie sich der Sonne bis auf ein paar Millionen Kilometer. Im Falle einer erhöhten Sonnenaktivität wären laut Möstl noch nie da gewesene Beobachtungen von Sonnenstürmen nahe an der Sonne möglich. "Wir konnten unter anderem zeigen, dass sich die Raumsonde dort so schnell bewegt, dass sie den Sonnensturm während eines Events sogar zweimal kreuzen könnte. Das würde bahnbrechende Erkenntnisse über die Entstehung und Ausbreitung von Sonnenstürmen ermöglichen", betonte der Grazer Forscher.

Mit etwas Glück könnten dann zugleich Bild- und Magnetfelddaten der europäischen Sonde Solar Orbiter gewonnen und die Daten gemeinsam ausgewertet werden. Das IWF ist beim Solar Orbiter sowohl am Magnetfeldmessgerät als auch am Bordcomputer beteiligt. (red, APA, 23.11.2020)