Aba Lewit, eine wichtige mahnende Stimme, KZ-Überlebender und einer der letzten Zeitzeugen in Österreich, starb am Montagabend in Wien.

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"Die Bilder bleiben immer in deinem Kopf. Die vielen Toten, das Leid, der unglaubliche Sadismus." So erinnerte sich Aba Lewit vor fünf Jahren bei einer Befreiungsfeier im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen an die Zeit seiner Jugend zurück. Tränen liefen dem Mann damals – 70 Jahre nach seiner Befreiung – übers Gesicht. Diese Befreiung erlebte der damals 21-Jährige im Mauthausen-Außenlager Gusen. Doch zuvor war Lewit der Hölle des NS-Regimes schon in drei anderen Lagern begegnet und hatte diese wie durch ein Wunder überlebt.

Aba Lewit war in Österreich, wo er sich nach dem Krieg niederließ und heiratete, vor allem als unermüdlicher Zeitzeuge bekannt. Als einer, der nicht unversöhnlich war, aber Gerechtigkeit suchte und eine neue Generation warnte und ermunterte, wachsam zu bleiben. Geboren wurde Lewit 1923 im polnischen Schtetl Działoszyce, wo die Mehrheit der Bevölkerung wie Lewits Familie Juden waren. Man sprach Jiddisch, der junge Aba ging hier in die Schule und machte dann eine Schusterlehre. Sein Vater war Getreidegroßhändler, seine Eltern hatten sechs Kinder. Dieses Leben war bald nach dem Überfall der Nazis auf Polen vorbei.

Kriegsverbrecher identifiziert

Lewit wurde als Jugendlicher ins Zwangsarbeitslager Krakau-Kostrze verschleppt, später kam er ins Arbeitslager Płaszów, wo der brutale Österreicher Amon Göth, der Nachgeborenen aus Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste" bekannt ist, als Lagerkommandant wütete und mordete. Dass Göth, der etwa regelmäßig während seines Frühstücks KZ-Insassen erschoss, nach dem Krieg identifiziert werden konnte, ist auch Lewit zu verdanken. Er selbst wurde in dem Lager von einem SS-Mann angeschossen.

Die Kugeln schnitten Mithäftlinge heraus. Später wurden er, einer seiner Brüder und sein Vater nach Mauthausen und dann nach Gusen deportiert. In Gusen musste er einen ganzen Tag und eine Nacht im Winter nackt im Freien verbringen. Er überlebte auch das. Eine Schwester und ein Bruder wurden von den Nazis ermordet. Das Bedürfnis, öffentlich als Zeitzeuge zu wirken, hatte bei Aba Lewit erst später im Leben. Er besuchte Schulen, gab Interviews und war 2014 auch Redner beim Fest der Freude auf dem Heldenplatz. 2018 warnte er öffentlich mit dem Mauthausen-Komitee vor dem "Rechtsextremismus und Nationalismus" der damals regierenden FPÖ.

Nach der Befreiung

1945, nach seiner Befreiung in Gusen, machte sich Lewit mit tausenden weiteren Überlebenden – bewacht von der US-Armee – nach Linz-Urfahr auf. Von dort reiste er weiter nach Wien, wo er blieb und heiratete. Diesen Zug der Befreiten durch Österreich im Mai 1945 beschrieb Lewit vor wenigen Jahren noch einmal ganz genau. Und dabei hielt er auch fest, dass er unterwegs keinen einzigen Ex-Häftling dabei beobachtete, strafrechtlich relevante Handlungen zu setzen.

Warum er das über 70 Jahre später betonen musste? Weil die rechtsradikale, von den Freiheitlichen Akademikerverbänden herausgegebene Zeitschrift "Aula" Mauthausen-Überlebende 2015 als "Landplage" und "Massenmörder", die "plündernd durchs Land zogen", bezeichnet hatte. 2018 wurde die Zeitschrift eingestellt. Nachdem die Ermittlungen zu dem Fall zunächst von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt wurden, was international für Empörung sorgte, kam die Causa 2018 vor den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Beschwerdeführer gegen die Republik Österreich war Aba Lewit. Er sah sich als Stellvertreter jener, die nicht mehr lebten. 2019 gab ihm der EGMR recht.

"Mit Humor und Herzlichkeit fand er den Weg zu den jungen Menschen und motivierte sie, sich kritisch in ihrem Umfeld und in der Gesellschaft auseinanderzusetzen", erinnert sich die Israelitische Kultusgemeinde Wien nun an Aba Lewit, der am Montagabend im Alter von 97 Jahren starb. Er hinterlässt eine Tochter. Was ihn glücklich mache, trotz all des Leids, das er sehen musste, sei das Engagement der Jugend und seine Religion, hat Aba Lewit immer wieder betont. (Colette M. Schmidt, 18.11.2020)