Die Venus ist nicht gerade lebensfreundlich. Wissenschafter spekulieren aber, ob die Wolken unseres Nachbarplaneten robuste Mikroben beherbergen könnten.

Foto: ESO/M. Kornmesser/Nasa/JPL Caltech

Leben auf der Venus? Ausgerechnet unser innerer Nachbarplanet, der nicht gerade als lebensfreundlich gilt, ließ im September die Herzen von Astrobiologen rund um den Globus höherschlagen. Forscher um Jane Greaves von der Universität Cardiff hatten in der Venusatmosphäre das seltene Gas Monophosphan entdeckt, das mit lebenden Organismen in Zusammenhang gebracht wird. Die faszinierende Schlussfolgerung: Es könnte in den oberen Wolkenschichten des Planeten biologische Prozesse geben.

Zweifel an den spektakulären Ergebnissen, die im Fachblatt "Nature Astronomy" veröffentlicht worden waren, ließen nicht lange auf sich warten. Waren die Daten wirklich aussagekräftig genug, um die geringe Monophosphan-Konzentration in der Venusatmosphäre beweisen zu können? Erste Untersuchungen anderer Forschergruppen brachten keine Bestätigung der Resultate, sondern warfen immer mehr Fragen zu der aufsehenerregenden Veröffentlichung auf.

Giftgas als Lebenszeichen

Nun rudern auch Greaves und Kollegen zurück: Eine erneute Analyse ihrer Daten habe ergeben, dass die Monophosphan-Konzentration etwa um das Siebenfache geringer sein dürfte als zunächst angenommen, schreiben sie in einer noch nicht fachbegutachteten Arbeit. Sie sind aber weiterhin davon überzeugt, dass dieses giftige Gas in der Venusatmosphäre vorhanden und auch nachweisbar ist.

Monophosphan, auch Phosphin genannt, ist eine hochgiftige Verbindung aus Wasserstoff und Phosphor. Auf der Erde gibt es nur zwei bekannte Quellen dafür: Chemiker in Laboren und einige wenige Bakterien, die in sauerstofffreier Umgebung leben. Unter Astrobiologen gilt Monophosphan daher als möglicher Kandidat für eine Biosignatur, die die Existenz außerirdischen Lebens verraten könnte. Theoretisch könnte es auch geo- oder photochemische Quellen für das Gas geben – welche, ist nicht geklärt.

Greaves und Kollegen hatten die Monophosphan-Spuren mithilfe des James-Clerk-Maxwell-Teleskops auf Hawaii entdeckt und den Fund durch das Atacama-Large-Millimeter/Submillimeter-Array-Teleskop (Alma) in Chile bestätigt. Schon kurz nach der Veröffentlichung gaben Forscher des Goddard Space Flight Centers der Nasa aber zu bedenken, dass die spektrale Auflösung des Teleskops auf Hawaii womöglich zu gering sei, um Monophosphan von Schwefeldioxid eindeutig unterscheiden zu können. Sie titelten ihre Entgegnung gar mit "No phosphine in the atmosphere of Venus".

Probleme eingeräumt

Forscher der Universität Leiden kamen wiederum nach der Neuauswertung der Alma-Daten zu dem Schluss, dass der vermeldete Monophosphan-Nachweis nicht statistisch signifikant sei, und ein anderes Team äußerte Skepsis, ob die Daten richtig kalibriert waren. Die Europäische Südsternwarte (Eso), die das Teleskop in Chile betreibt, gibt den Zweiflern nun recht: Bei der Überprüfung der Alma-Daten sei man auf Probleme gestoßen, "die einen Einfluss auf den Phosphin-Nachweis haben könnten", hieß es in einer Mitteilung vom Dienstag. Eso-Forscher hätten die Daten daher neu kalibriert und der Forschergemeinschaft zur Verfügung gestellt.

Greaves und ihre Kollegen haben die neuen Eso-Daten bereits für ihre zweite Arbeit genutzt und sehen, trotz der viel geringeren Menge an Phosphin, nach wie vor ein statistisch signifikantes Signal des Gases. Weitere Studien dürften bald folgen. Die endgültige Klärung, was sich da in der Atmosphäre unserer Nachbarwelt abspielt, könnte aber noch Jahre dauern – bis neue Generationen von Teleskopen in Betrieb gehen oder künftige Venussonden direkt vor Ort Messungen durchführen können. (David Rennert, 19.11.2020)