Als erste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes sind gute Kindergärten enorm wichtig.

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Zum zweiten Mal hat das Land zugesperrt, und zum zweiten Mal führt die Corona-Pandemie vor Augen, was für unsere Gesellschaft im Lockdown, und darüber hinaus, "systemrelevant" ist. Dazu gehört auch, dass Kinder die bestmögliche Bildung und Betreuung erhalten sollen – nicht nur in Schulen, sondern auch in Kindergärten, der ersten Bildungseinrichtung, die den Grundstein für das ganze spätere Leben legt.

Dass im elementarpädagogischen Bereich Reformbedarf besteht, ist seit Jahren bekannt, dennoch hat sich erstaunlich lang politisch wenig getan. "(Wo) Samma da im Kindergarten?" lautete denn auch das Thema einer pandemiebedingt virtuellen "Bildungsarena", bei der Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und Politik, Wissenschaft und Wirtschaft Schmerzpunkte lokalisierten und Reformziele formulierten. Hinter "Neustart Schule" – initiiert von der Industriellenvereinigung – stehen 24 bildungspolitisch engagierte Partnerinstitutionen.

Auf dem Podium waren Martina Genser-Medlitsch vom Hilfswerk Österreich, Nikolaus Griller von der Jungen Industrie, die Salzburger Neos-Landesrätin Andrea Klambauer, Bernhard Koch, Professor für Elementarpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Tirol, und Alina Schmidt, die im Bildungsministerium unter anderem für Elementarpädagogik zuständig ist. Moderiert hat STANDARD-Innenpolitikredakteurin Lisa Nimmervoll.

Stream der Veranstaltung.
Neustart Schule

Das Problem mit dem Föderalismus

"Kompetenzverteilung" war ein Begriff, der in der Gesprächsrunde nicht nur einmal fiel – und sich als ein Urproblem der Elementarbildung bestätigte. In Österreich fallen Kindergärten nämlich per Verfassung in die Zuständigkeit der Bundesländer, was dazu führt, dass es unterschiedliche Betreuungsschlüssel, Ausbildungsstandards, aber auch Gehaltsschemata für die Pädagoginnen und (noch immer wenige) Pädagogen im Elementarbereich gibt. "Es ist schon sehr schwierig, aufgrund dieser unterschiedlichen Rahmenbedingungen in einer ähnlich guten Qualität zu arbeiten", berichtete dazu Genser-Medlitsch, die im Hilfswerk für Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich zuständig ist.

Dieses Problem zu lösen sei letztlich eine Frage des politischen Willens, unterstrich der Unternehmer Griller: "Wenn eine Regierung da etwas weiterbringen will, dann muss sich eine Lösung finden." Denn gute Bildung sei auch ein wichtiger Standortvorteil.

Die positiven Seiten des Föderalismus erwähnten hingegen die Vertreterinnen aus Politik und Verwaltung. Die Idee, dass Länder oft besser wüssten, was vor Ort gebraucht werde, sei ja nicht falsch, meinte etwa Schmidt. Dem Bildungsministerium gehe es vor allem um eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Es sei auch "sicher ein Vorteil, dass über neun verschiedene Systeme auch verschiedene Ideen entstehen können", sagte Neos-Politikerin Klambauer, fügte aber hinzu, sie könnte auch mit einer Elementarbildung in Bundeskompetenz gut leben. Zentral aber seien einheitliche Ausbildungsstandards und Rahmenbedingungen vor Ort.

Beirat für Elementarpädagogik

Zweites wichtiges Thema auf dem Podium war der von der türkis-grünen Regierung neu eingerichtete Beirat für Elementarpädagogik. Dieser solle sich vor allem um eine Harmonisierung von Qualitätsstandards kümmern, forderte Genser-Medlitsch, die dem Beratungsgremium selbst angehört.

Zustimmung erhielt sie dabei von einer klaren Mehrheit des virtuellen Publikums, das sich via Smartphone an der Diskussion beteiligen konnte und nicht nur einheitliche Qualitätsstandards als wichtigstes Ziel nannte, sondern auch, dass der Beirat "eigenständig, unabhängig und transparent arbeiten" müsse.

PH-Professor Koch wiederum forderte eine Verwissenschaftlichung der Ausbildung, aber auch den Kampf gegen Bildungsbenachteiligung. Einen Index der sozialen Benachteiligung auch für Kindergärten, ähnlich dem Sozialindex für Schulen, durch den Standorte mit besonders schwierigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen besser ausgestattet würden, halte er für eine gute Idee.

Auch die vieldiskutierte Frage "Wie kann man den Beruf attraktiver machen?" kam zur Sprache. "Es geht nicht nur um den Lohn, sondern auch um das Arbeitsumfeld", betonte Griller. Für eine Attraktivierung brauche es auch Aufstiegschancen, sagte Schmidt.

Im Kindergarten in Pension gehen

Genser-Medlitsch betonte einmal mehr die noch immer vielerorts zu großen Gruppen, die allen Betroffenen zu schaffen machten. Wenn es gelinge, die angesprochenen Reformen endlich umzusetzen, dann wäre eine Vision für den Elementarbereich, "dass sich 90 Prozent der dort Tätigen vorstellen können, auch im Kindergarten in die Pension zu gehen".

Das Besondere am Kindergarten hat übrigens dessen "Erfinder" Friedrich Fröbel, der 1840 im Rathaussaal von Bad Blankenburg den ersten "Allgemeinen deutschen Kindergarten" gegründet hat, so formuliert: "Ein Kindergarten hat das Schöne, dass man säend schon die Blüten und Früchte gewinnt, und zwar doppelt, in sich und in den Kindern." (Johannes Pucher, 20.11.2020)