Ex-Wirecard-Chef Markus Braun muss sich den Fragen der Politik stellen.

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Berlin – Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Deutschland nur eine kurze Erklärung verlesen, verweigerte darüber hinaus aber jegliche Aussage. Es gebe ein umfangreiches Ermittlungsverfahren zu dem Fall, sagte der 51-jährige Österreicher am Donnerstag in Berlin. Er vertraue auf die Unabhängigkeit und Objektivität der Justiz, in dem Fall der Münchner Staatsanwaltschaft. Diese werde den Fall aufklären.

Zeugnisverweigerungsrecht

Der langjährige Vorstandschef, der momentan in Augsburg in Untersuchungshaft sitzt, ergänzte, er habe sich bisher nicht gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert. Er habe aber seine Kooperationsbereitschaft signalisiert. Zu konkreten Fragen wollte er sich nicht äußern. Immer wieder sagte er, er berufe sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Brauns Anwälte hatten im Vorfeld beantragt, dass der Wirtschaftsinformatiker nur per Video vernommen wird. Der Bundesgerichtshof hatte aber ein persönliches Erscheinen in Berlin im Bundestag verlangt.

Bilanzskandal

Wirecard ist im Juni nach Bekanntwerden eines milliardenschweren Bilanzskandals in die Pleite gerutscht. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Wirecard soll sich jahrelang mit systematischen Luftbuchungen schöngerechnet und damit Anlegern und Banken Milliardenschäden zugefügt haben. Bei seinem bisher letzten öffentlichen Auftritt hatte Braun das Unternehmen als Opfer eines großangelegten Betrugs dargestellt.

Braun gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Betrugsskandal. Der Ausschuss will aufdecken, ob das deutsche Fintech-Unternehmen als aufstrebender Börsenstar von den Aufsichtsbehörden trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten mit Samthandschuhen angefasst wurde. Dabei geht es auch um Versäumnisse der Politik, weshalb die Kontakte Brauns relevant sein könnten.

Braun ist nicht der einzige Zeuge. Auch ein Mitglied des Wirecard-Aufsichtsrats, der frühere Leiter des Rechnungswesens sowie ein für die Wirecard-Tochter in Dubai verantwortlicher Manager werden befragt. Die beiden Manager sollen per Video zugeschaltet werden – wohl auch, damit sie Braun nicht begegnen.

Offene Fragen

Neben Wirecard selbst stehen in dem Fall die Finanzaufsicht BaFin und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Kritik. Zentrale Frage bei der politischen Aufarbeitung soll sein, wann die deutsche Bundesregierung von den Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich im vergangenen Jahr bei einer China-Reise für Wirecard eingesetzt hatte, und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sollen im Untersuchungsausschuss als Zeugen befragt werden. Scholz hat als Reaktion auf den Skandal einen Aktionsplan für eine Reform der Finanzaufsicht vorgelegt. Die Opposition wirft ihm allerdings vor, damit vom eigenen Versagen als oberster Chef der Finanzaufsicht ablenken zu wollen.

Ein Untersuchungsausschuss hat mehr Rechte als gewöhnliche Bundestagsausschüsse. Er kann Zeugen und Sachverständige vernehmen und Akteneinsicht verlangen. (APA, dpa, red,19.11.2020)