Ullrich Matthes (hinten, Mitte) spielt in "Gott" den Bischof, der sich klar gegen Sterbehilfe ausspricht

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Wien – In Ferdinand von Schirachs TV-Event "Gott" prallen unterschiedlichste Meinungen zum Thema Sterbehilfe aufeinander. Eine klare Position bezieht im Stück Bischof Thiel, gespielt von Ulrich Matthes. Im APA-Gespräch erzählt er von seinem persönlichen Zugang zum Thema, der Entscheidung, seinen Bischof kurz zweifeln zu lassen und seiner Hoffnung, dass das Format zur Diskussion anregt.

Matthes spielt den konservativen theologischen Sachverständigen Bischof Thiel, der sich in einem flammenden Monolog gegen Sterbehilfe ausspricht.

Das sagt der Schauspieler Ulrich Matthes über

  • seine Motivation, in "Gott" mitzuwirken:

"Das hatte zwei Gründe: Einerseits fand ich die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie wir alle sterben wollen, einfach wahnsinnig interessant. Jeder Mensch beschäftigt sich mit dem Tod individuell. Gesellschaftlich wird das Thema eher verdrängt, zum Teil wird es sogar in Familien vermieden. Dabei wäre es wichtig, wenn man sich ausspräche, wie es wäre, wenn man beispielsweise eine schwere Krankheit hat und man den Leidensprozess abkürzen will. Der zweite Grund: Das Ensemble der Mitspieler war so erlesen, dass es eine Freude war, mit ihnen zu spielen. Auch wollte ich schon lange mit dem Regisseur Lars Kraume arbeiten, ich schätze ihn hoch. Es war eine beglückende Arbeit!

  • seine Einstellung zum Thema Sterbehilfe inwiefern sich diese durch die Arbeit an dem Film verändert

"Wirklich verändert hat sie sich offen gestanden nicht. Wir wurden mitten in den Dreharbeiten vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts (über die Aufhebung des Verbots, Anm.) überrascht. Das habe ich spontan begrüßt im Sinne der Selbstbestimmung des Menschen. Dann kommen aber sehr bald auch Fragen, die sich daran anschließen. Was ist mit denen, die in einer persönlichen oder ökonomischen Krise sind? All diesen Menschen billigt das BGH durch dieses Urteil das Recht zu, sich einen Arzt zu nehmen und sich mit dessen Hilfe umzubringen. Das ist doch äußerst komplex. Da muss man auf ein gutes soziales Umfeld der Person hoffen, das Anzeichen einer Depression früh erkennt. Auch das Thema Depression wird ja oft verdrängt. Um ihr Frage kurz und knapp zu beantworten: Sonst bin ich durchaus meinungsfreudig, aber bei diesem Thema fällt mir das schwer."

  • Ferdinand von Schirachs Zugang zu "Gott"

"Die Qualität unseres Films besteht darin, dass man bei jeder Figur denken kann: "Ganz unrecht hat der oder die nicht." Das ging mir auch beim Bischof so, obwohl ich nicht gläubig bin, aber so eine Position erstmal respektiere. Ich finde es grundsätzlich interessant, mich mit einer Meinung auseinanderzusetzen, die nicht meine ist."

  • die Figur des Bischofs, und wie er ihn sieht

"Ich spiele ja Menschen und keine Thesenträger! Ich hatte das Gefühl, dass ich diesen Bischof Thiel nicht seiner Sicherheit beraube, indem ich kurz mal aufblitzen lasse, dass auch ein gläubiger Mensch in seinem Glauben zweifelnde Momente haben kann. Ich schwäche die Position dadurch ja nicht, indem ich ihn kurz empathisch für den Herrn Gärtner sein lasse."

  • wie er zur Abstimmung am Schluss steht

Grundsätzlich finde ich diese Art von Interaktivität interessant. In diesem Fall ist es nicht ganz "my cup of tea": das Thema ist zu komplex und existenziell, als dass man auf einer Taste 1 oder 2 klicken kann, Daumen rauf oder runter. Durch soziale Netzwerke werden komplexe Themen ohnehin viel zu oft unterkomplex abgehandelt, indem man den Daumen hebt oder senkt. Sehr viele Themen bedürfen aber einer Auseinandersetzung, eines Gesprächs. Sterbehilfe ist ein Thema, was eher eine Debatte, ein genaues Anhören der Argumente verdient, als diese schnelle Form der Abstimmung. Aber wenn es der Sache dient und deswegen 250.000 Leute mehr einschalten, soll es mir recht sein.

  • "Gott" und Corona und den Zeitpunkt der Ausstrahlung

Der November ist ohnehin der Monat der Toten, in dem sich die Menschen schon durch die Feiertage und die kürzeren Tage eher damit beschäftigen als im Mai oder Juni. Anderseits: es gibt Untersuchungen, dass sich mehr Menschen in der hellen Jahreszeit das Leben nehmen. Manchmal ist der Kontrast zur Lebensfreude im Sommer, die einen umgibt, so unaushaltbar für gefährdete Menschen, dass sie dann an Selbstmord denken. "Gott" ist ein Stück Fiktion und eine Gelegenheit, die einem helfen soll, über das Thema nachzudenken. Und unbedingt: hoffentlich auch ins Gespräch mit anderen Menschen zu kommen (Sonja Harter/APA, 19.11.2020)