Journalist und Buchautor Robert Misik schreibt in seinem Gastkommentar über die Verbalentgleisung von Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) und über Wendungen "die auf die Müllhalde der Sprachgeschichte gehören".

Andreas Khol sagte, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner würde schier danach verlangen, dass "man ihr eine auflegt". Später hat er sich für seine Wortwahl entschuldigt.
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Dass Sprache nicht neutral ist, sondern Machtverhältnisse und Ressentiments zugleich zum Ausdruck bringt als auch verfestigt, ist heute eine Binsenweisheit, die zur Veränderung von gesprochener und geschriebener Sprache führt, nicht selten zur regelmäßigen Erfindung neuer Wörter und manchmal zu einem schieren Wettlauf darum, die gerade angesagtesten Vokabel zu kennen. Und manchmal weiß man, dass mit Sprache etwas ganz schlimm nicht stimmt, ohne dass gleich klar ist, was genau.

Andreas Khol, ehemals Nationalratspräsident (ÖVP), hat also jetzt gemeint, SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner würde schier danach verlangen, dass "man ihr eine auflegt". Viele haben das als buchstäbliche Gewaltfantasie genommen, und auch als sexistische Äußerung. Ersteres ist nicht unrichtig, Letzteres ganz sicher wahr, schon allein weil ein Mann, der sein Leben lang gewohnt war, Macht zu besitzen und auszuüben, einen solchen Satz sicher nicht über einen formal gleichrangigen Mann, aber möglicherweise über eine formal gleichrangige Frau zu sagen wagt.

Klassische Chefallüren

Erstaunlich war aber dann doch auch, dass es Menschen gab, die nur die buchstäbliche Bedeutung dieses Satzes kennen (also: jemandem eine Ohrfeige geben), aber mit der metaphorischen Bedeutung noch niemals konfrontiert waren. Dabei ist das eine ganz gängige Metapher der Herrschenden.

Ich fürchte, in Vorstandsbüros fällt der Satz jeden Tag. Chefs mit klassischen Chefallüren, Machthaber in Konzernen oder auch nur kleine männliche Möchtegernmachthaber der mittleren Ebene haben eine ganze Reihe von Metaphern, mit der sie Machtausübung gegenüber (in ihren Augen) unbotmäßigen Untergebenen zum Ausdruck bringen. "Dem eine auflegen", im Sinne von dem kleinen Untergebenen niederschreien, dafür gibt es noch mehrere andere Sprachbilder. Der oder dem "gehört einmal ordentlich der Kopf gewaschen", ist eine andere dieser Herrenreiterwendungen. Auch gerne gebraucht: "Den werd ich mir einmal ordentlich zur Brust nehmen."

Sprachliche Müllhalde

So denken, so sprechen kannst du nur, wenn du dich mächtig fühlst oder als Machthaber in rigiden Hierarchien dein Leben verbracht hast und dich auch als Balkonmuppet noch berechtigt fühlst, auf andere herabzusehen. Es ist eine Sprache der Macht, die den normalen Menschen nicht einmal zur Verfügung steht. Denn kein Untergebener kann jemals – nicht einmal metaphorisch – sagen, er würde sich den Chef "jetzt einmal zur Brust nehmen".

Diese Wendungen gehören, wie die mit ihnen verbundenen Verhaltensweisen, auf die Müllhalde der Sprachgeschichte. (Robert Misik, 19.11.2020)