Wurde der Unterstützung von Rebellen bezichtigt: WHO-Chef WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

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Addis Abeba – Äthiopiens Militär treibt seine Offensive im Norden des Landes voran und erhebt Vorwürfe gegen den in der abtrünnigen Provinz Tigray verwurzelten Chef der Weltgesundheitsorganisation. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus unterstütze die Rebellen in Tigray und versuche, sie mit Waffen zu versorgen, sagte Armeechef General Birhanu Jula am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede.

Keine Beweise

Beweise für seine Anschuldigungen lieferte der General nicht, bezeichnete den WHO-Chef aber als "Kriminellen" und forderte dessen Rücktritt. Von der WHO gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen Tedros, der seit 2017 an der Spitze der WHO steht und zuvor in Äthiopien Gesundheits- und Außenminister war.

Die Regierung in Addis Abeba erklärte, ihre Truppen hätten in Tigray eine Reihe von Orten eingenommen und würden bald die Provinzhauptstadt Mekelle erreichen. In den mittlerweile zwei Wochen anhaltenden Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und Milizen der Tigray Volksbefreiungsfront (TPLF) sind Hunderte Menschen getötet worden. Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed – der Friedensnobelpreisträger von 2019 – wirft der in der nördlichen Region regierenden TPLF vor, einen bewaffneten Aufstand angezettelt zu haben. Die Partei dagegen hält Abiy vor, er verfolge sie und vertreibe ihre Politiker von Regierungs- und Sicherheitsposten.

Internet und Telefon eingeschränkt

TPLF-Chef Debretsion Gebremichael räumte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters Gebietsverluste ein und erklärte, Mekelle werde bombardiert. Zugleich betonte er aber, der Widerstand der TPLF sei ungebrochen und die Stadt Axum, rund 215 Kilometer nördlich von Mekelle, werde gehalten. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig überprüft werden, da der Zugang nach Tigray sowie die Internet- und Telefonverbindungen dorthin eingeschränkt sind.

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy hatte am 4. November Luftangriffe und eine Bodenoffensive gegen die Regierung von Tigray angeordnet. Der Bundesstaat mit der Größe Österreichs und fünf Millionen Einwohnern wird seit 2018 von der TPLF regiert. Die Tigrayer hatten über Jahrzehnte ganz Äthiopien kontrolliert. Regierungschef Abiy gehört dagegen der Bevölkerungsmehrheit der Oromo an. Die Kämpfe haben Zweifel aufkommen lassen, ob der 44-Jährige das gespaltene Land einen kann. Rund 30.000 Menschen sind aus dem Konfliktgebiet in den benachbarten Sudan geflohen. Abiy erklärte, seine Regierung wolle die Flüchtlinge zurückholen und die humanitäre Lage in Tigray sondieren.

Biden spricht sich für Frieden aus

Abiy Ahmed hatte den Friedensnobelpreis 2019 für seine Versöhnungspolitik mit dem Nachbarn und langjährigen Erzfeind Eritrea erhalten. Äthiopien mit seinen 115 Millionen Einwohnern ist das zweitgrößte Land Afrikas. Beobachter fürchten, dass der Konflikt die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisieren könnte.

Der designierte US-Präsident Joe Biden mahnte über einen Vertrauten ein Ende der Kämpfe im Norden Äthiopiens und den Schutz der Zivilbevölkerung an. "Tief besorgt über die humanitäre Krise in Äthiopien, Berichte über gezielte ethnisch motivierte Gewalt und ein Risiko für regionalen Frieden und Sicherheit", erklärte der Außenpolitiker Antony Blinken auf Twitter. Die Konfliktparteien sollten die Kämpfe unmittelbar beilegen, den Zugang für humanitäre Hilfe ermöglichen und die Zivilbevölkerung schützen. Blinken wird nach Einschätzung von Experten in Bidens Regierung einen ranghohen Posten einnehmen. (APA, 19.11.2020)