Die Bühnenbildnerin Katrin Lea Tag lebt mit ihrer Familie in einer Mietwohnung in Wien-Meidling, die erst noch renoviert werden musste. Ein Rätsel gibt ihr die Wohnung bis heute auf.

"Ich habe diese Wohnung vor zwölf Jahren auf einer Plattform gefunden. Die Fotos waren nicht spektakulär, aber der Grundriss hat spannend ausgeschaut. Es gab wenige Interessenten, darum dachten wir erst: ‚Wo ist der Haken?‘ Aber wir haben uns sofort in die Details verliebt.

Katrin Lea Tag und Klaus Schafler in ihrem Wohnzimmer in Wien-Meidling.
Foto: Lisi Specht

Ein Balkon und der Blick in einen Garten sind in einer Altbauwohnung nicht selbstverständlich. Mir war Meidling damals fremd. Ich hatte den Bezirk gar nicht am Schirm. Damals haben alle mit ‚Was, Meidling?‘ reagiert, als ich ankündigte, dorthin zu ziehen. Ich hab mich erst auch gefragt, wo ich da gelandet bin. Inzwischen hat sich der Bezirk wahnsinnig verändert. Wir leben sehr gerne hier.

Was ich an dieser 143 Quadratmeter großen Wohnung gleich schön fand: Vorher hat hier ein Komponist und Pianist aus Berlin gelebt. Da ich selbst aus Berlin stamme, war das ein lustiger Zufall. Die Vermieter haben uns drei Monate mietfrei gegeben, damit wir die Wohnung in Ruhe herrichten können. Das habe ich sehr sozial gefunden. Wir mussten ein wenig renovieren, konnten eine Wand einreißen und die Böden abschleifen. Früher müssen das zwei Wohnungen gewesen sein, denn es gab zwei Eingänge.

Die Sitzbank im Essbereich wurde vor Kurzem erneuert.
Fotos: Lisi Specht

Unter dem Linoleum haben wir alte Fliesen entdeckt. Die haben wir freigelegt und ausgebessert. Eigentlich lag die meiste Renovierungsarbeit im Befreien von überdecktem Alten. Auch der Balkon war skurril. Der Vormieter hatte ihn für seine Papageien in eine Voliere umgebaut. Das Jugendstilgeländer war komplett mit Wellblech verkleidet. Auch die wunderschönen Kassettentüren wurden in den 1970er-Jahren verschalt. Das verstand man damals unter Modernisierung. Die alte Struktur könnte man mit viel Aufwand freilegen. Das wäre noch so ein Projekt von mir.

Ich wohne hier mit meinem Sohn Nikolai und meinem Freund Klaus. Wir leben in einer Patchworksituation. Klaus hat eine Tochter, und so leben wir teilweise hier und teilweise in seiner Wohnung im vierten Bezirk. So fahren wir viel Zeug hin und her.

Ich habe sehr lange nur gebrauchte Möbel gekauft. Erst in den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, dass es ein wenig designiger sein soll. So ist eine Mischung entstanden.

Unser jüngstes Projekt war unsere Küche. Sie war früher ein Sammelsurium aus unterschiedlichsten Kastln. Das hatte Charme. Aber als nach und nach alles zusammengebrochen ist, die Spülmaschine nur noch ein Programm hatte und man beim Kochen am Gasherd ständig einen Knopf in der Hand hatte, hatten wir letztes Jahr das Gefühl: Jetzt reicht’s. Gute Freunde vom Architekturbüro Bönisch & Ramharter waren sofort Feuer und Flamme. Sie haben gesagt: ‚Eure Küche muss wie ein Wohnzimmer sein.‘

Schon ihr erster Entwurf hat uns überzeugt. Zur Zeit des ersten Lockdowns haben wir viel gekocht und immer bewundert, wie klug durchdacht alles ist. Wir haben immer wieder gesagt: ‚Was für ein Geschenk!‘ Die Küche ist zu einer Insel geworden, die auf den Rest der Wohnung ausstrahlt. Als Nächstes haben wir die Essbank ausgewechselt. Sie stammt aus einer Fleischerei im Weinviertel.

"Die Küche ist zu einer Insel geworden, die auf den Rest der Wohnung ausstrahlt", sagt Katrin Lea Tag. Der Tresor in der Wand gibt noch Rätsel auf.
Fotos: Lisi Specht

Bei uns vermischt sich oft das Arbeiten mit dem Zuhausesein. Wie wir als Patchworkfamilie unsere verschiedenen Standorte und unterschiedlichen Konstellationen vielleicht mal zu einem bündeln könnten, beschäftigt uns. Wir träumen vom Wohnen am Wasser. Gerade in Zeiten von Corona ist uns dieser Bezug zum Rauskönnen wichtig geworden. Andererseits sind wir auch gern in der Stadt.

Die Frage nach einer traumhaften Lebensform hängt wie eine Wolke über uns. Aber wir forcieren das nicht. Wenn man offen und neugierig ist, tauchen Dinge irgendwann auf.

Ein Rätsel gibt uns die Wohnung allerdings immer noch auf: In der Wand sind zwei Tresore verbaut. Einen konnten wir mangels Schlüsseln noch nie öffnen. Wir denken aber ab und an darüber nach, was drinnen sein könnte. Die Theorien reichen von der großen Leere über einen Schatz bis hin zu etwas Unangenehmem.

Ob wir irgendwann reinschauen? Vielleicht. Aber vielleicht ist es auch schöner, sich vorzustellen, dass es das große Geheimnis dieser Wohnung ist." (23.11.2020)