Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel vom Bundestag zur ersten deutschen Kanzlerin gewählt. Eine Frau, Ostdeutsche, zudem geschieden und Protestantin – viele glaubten, sie würde nicht lange bleiben. Doch sie irrten sich.

"Ich will Deutschland dienen", sagte Merkel bei ihrer Vereidigung im Bundestag, und die 66-Jährige ist immer noch im Amt.

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Als Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, war Horst Köhler deutscher Bundespräsident. Sie hatte seine Wahl schon als CDU-Chefin eingefädelt. Nach Köhler folgten Christian Wulff und Joachim Gauck. Jetzt erlebt Merkel mit Frank-Walter Steinmeier ihren vierten Bundespräsidenten.

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Zu Beginn ihrer Amtszeit regierte in Bayern Edmund Stoiber (CSU). Er wollte eigentlich selbst Kanzler werden, scheiterte aber und ist ohnehin längst Geschichte – wie viele andere, nicht immer einfache Wegbegleiter Merkels, etwa der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

Das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU gestaltete sich in all den Jahren schwierig, der bayerische Löwe brüllte gerne laut. Während der Flüchtlingskrise kam es zum Tiefpunkt, der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warf Merkel sogar eine "Herrschaft des Unrechts" vor.

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Unter Angela Merkel rückte die CDU, zum Ärger der Konservativen, deutlich in die politische Mitte. Merkel setzte die Wehrpflicht aus, förderte den Ausbau von Kindergärten und stieg nach dem Super-GAU von Fukushima (2011) schneller als geplant aus der Atomkraft aus.

Manche in der CDU kritisieren, dass Merkel mit schuld am Aufstieg der AfD sei, weil sie die Konservativen vernachlässige. Die AfD zog 2017 erstmals in den Bundestag ein.

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In den 15 Jahren ihrer Kanzlerschaft agierte die Physikerin Merkel meist zurückhaltend und nicht als Frau der lauten Worte.

Gefühlsausbrüche allerdings sind zu beobachten, wenn Merkel im Fußballstadion jubelt. Sie ist ein großer Fußballfan und nimmt an den Erfolgen und Misserfolgen der deutschen Nationalmannschaft regen Anteil.

Oft werden Parallelen zwischen ihr und Bundestrainer Jogi Löw, der auch schon seit 2006 im Amt ist, gezogen. Merkel wird definitiv 2021 abtreten, Löw vermutlich auch.

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2009 trat Merkel zu ihrer ersten Wiederwahl an. Gegen sie ging als SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (heute Bundespräsident) ins Rennen. Er unterlag – ebenso wie Peer Steinbrück (SPD) im Jahr 2013 und Martin Schulz (2017).

Merkel regierte von 2005 bis 2009 mit einer großen Koalition, von 2009 bis 2013 mit einem schwarz-gelben Bündnis, in dem Guido Westerwelle (FDP) Vizekanzler war. 2013 und 2017 folgten wieder große Koalitionen.

Gerne hätte Merkel 2017, zu Beginn ihrer vierten Amtszeit, ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP geschmiedet. Doch es scheiterte an den Liberalen.

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2007 fuhr Merkel mit dem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Grönland, um das schmelzende Eis persönlich in Augenschein zu nehmen. Merkel wollte zur "Klimakanzlerin" werden und mahnte auch auf internationaler Bühne immer wieder, dass der Kampf gegen den Klimawandel eine Schicksalsfrage für die ganze Welt sei.

Nach dem Atomausstieg erfolgte – spät, nämlich erst 2019 – auch der Einstieg in den Kohleausstieg. Hier, wie auch gegenüber der Autoindustrie, machte Merkel aber immer wieder Zugeständnisse. 2020 wird Deutschland seine Klimaziele doch erreichen, allerdings nur "dank" Corona.

Apropos Gabriel: Er war von 2009 bis 2017 auch SPD-Chef. Insgesamt hatte Merkel seit dem Beginn ihrer Kanzlerschaft mit acht sozialdemokratischen Vorsitzenden zu tun.

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Der 5. Oktober 2008 hat sich vielen Deutschen ins Gedächtnis eingeprägt. Damals, während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, traten Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gemeinsam im Berliner Kanzleramt auf, um den Deutschen klarzumachen, dass ihre Spareinlagen sicher seien. Merkel fürchtete, dass die Deutschen aus Angst ihr ganzes Geld abheben könnten. Tage später verkündete sie den 500 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm (Bild).

Die Finanzkrise und die Rettung des Euro haben Merkel lange Zeit beschäftigt. Sie fuhr gegenüber Griechenland einen harten Kurs und verteidigte dies mit den Worten "Scheitert der Euro, scheitert Europa".

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Im Juni 2011 bekam Merkel im Rosengarten des Weißen Hauses von US-Präsident Barack Obama die Freiheitsmedaille verliehen, die höchste zivile Auszeichnung der USA.

Dieser Moment zählte zu den emotionalsten ihrer Laufbahn. Merkel konnte sehr gut mit Obama, zudem hat sie nie die Unfreiheit in der DDR, in der sie aufwuchs, vergessen.

Das Verhältnis mit Obamas Nachfolger Donald Trump war angespannt, ebenso wie jenes mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Seit dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny sind die Beziehungen noch schlechter geworden. Am der Pipeline Nord Stream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland und Europa bringen soll, hält Merkel aber fest.

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In eleganter Robe – wie bei der Verleihung der Freiheitsmedaille – sieht man Merkel nicht oft. Ein "Hingucker" ist ihr Outfit, wenn sie im Sommer in Bayreuth zu den Wagner-Festspielen kommt.

Ansonsten aber sind Blazer in allen Farben des Regenbogens zu ihrem Markenzeichen geworden – ebenso wie die legendäre "Merkel-Raute". Die Kanzlerin selbst hat erklärt, diese Handhaltung helfe ihr, den Oberkörper gerade zu halten.

Zur Raute gibt es unzählige Interpretationen, es ist die Rede von Besonnenheit, Symmetrie, Ruhe. "In der Raute liegt die Kraft", titelte die "Welt" einmal. 2013, während des Bundestagswahlkampfes, hängte die CDU im Berliner Regierungsviertel ein riesiges Plakat auf, auf dem nur die Raute zu sehen war.

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Ab 2015 war Merkel vor allem mit der Flüchtlingskrise beschäftigt. Hunderttausende kamen nach Deutschland, wie hier im Bild der 17-jährige Anas Modamani, der ein Selfie mit der Kanzlerin schaffte. Merkel polarisierte in dieser Zeit stark. Die einen feierten sie für die liberale Haltung Deutschlands, die anderen kritisierten die offenen Grenzen.

Merkel erklärte ihr Handeln in einer Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann im September 2015 so: "Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

Später aber räume sie ein, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen dürfe, die Asylgesetze wurden auch in Deutschland verschärft.

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Die Aufnahme der vielen Flüchtlinge hat Merkel massive Kritik eingetragen und sie viel von ihrer Beliebtheit gekostet. Der Ruf "Merkel muss weg" wurde bei Pegida-Märschen und AfD-Wahlkundgebungen zum geflügelten Schlachtruf. Als die Kanzlerin im August 2015 eine Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau besuchte, wurde sie ausgepfiffen und als "Volksverräterin" beschimpft.

Der Unmut schlug sich bei der Bundestagswahl 2017 nieder, die Union sank von 41,5 auf 32,9 Prozent. Auch bei Landtagswahlen verlor die Union zum Teil stark. Schließlich verkündete Merkel im Herbst 2018, sich als CDU-Chefin zurückzuziehen und auch zur Bundestagswahl 2021 nicht mehr antreten zu wollen.

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Kanzlerin will Merkel bis zur Bundestagswahl 2021 bleiben. Als CDU-Chefin trat sie jedoch im Herbst 2018 – nach 18 Jahren Amtszeit – zurück. Die Nachfolge wurde in ihrem Sinne geregelt, Merkels Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer setzte sich Anfang Dezember 2010 am Parteitag in Hamburg knapp gegen Friedrich Merz durch.

Doch Merkels Hoffnung scheiterte – auch weil die übermächtige Merkel ihr nicht genug Raum zur Profilierung einräumte.

Am 10. Februar 2020, nach knapp einem Jahr im Amt, kündigte AKK ihren Rücktritt an. Formal ist sie aber immer noch im Amt, die CDU schafft wegen Corona den für eine Wahl nötigen Präsenzparteitag nicht.

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Die Corona-Krise hat Merkels Stellenwert noch einmal stark verändert. Zuvor galt sie als "lame duck", die nur noch ihre letzte Zeit im Kanzleramt absitzt. Doch im Kampf gegen die Pandemie hält die große Mehrheit der Deutschen Merkel für unverzichtbar.

Im Frühjahr überließ sie zunächst ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Bühne. Als die Zahl der Neuinfektionen stark anstieg, wandte sich Merkel jedoch erstmals in ihrer Amtszeit in einer TV-Ansprache ans Volk.

Auch bei anderen Gelegenheiten warnte sie eindringlich davor, Corona zu locker zu sehen. Sie gilt als Verfechterin eines strengeren Wegs, konnte sich aber zuletzt nicht gegen die Ministerpräsidenten der Länder durchsetzen.

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Wie schafft diese Frau seit 15 Jahren dieses Arbeitspensum? Das fragen sich viele Deutsche seit Jahren. Doch ihr Privatleben hält Merkel strikt privat. Es gibt keine Homestorys, weder aus ihrer Wohnung gegenüber dem Berliner Pergamonmuseums oder aus dem Wochenendhaus in Brandenburg.

Ein bisschen was aber weiß man: dass Merkel gerne Kartoffelsuppe kocht, Wagner-Fan ist und im Südtirol-Urlaub wandert oder langläuft. An ihrer Seite ist dann der vielfach ausgezeichnete Quantenchemiker Joachim Sauer. Merkel ist mit ihm in zweiter Ehe verheiratet. Sauer begleitet seine Frau nur ganz selten, Interviews gibt er auch nicht. (Birgit Baumann aus Berlin, Bianca Blei, 22.11.2020)

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