Wachestehen vor dem Trauerfeuer der Angewandten.

Foto: Mani Froh

Es riecht nach Feuer, der Wind trägt Rauch von der Universität für angewandte Kunst Richtung Wienfluss. Die Uni steht nicht in Flammen, sie trauert. Auf dem Vorplatz brennt ein Trauerfeuer.

Vor knapp drei Wochen wurde eine Studentin der Uni beim Terroranschlag in Wien getötet, ein Student schwer verletzt. Um ihrer unter Corona-Bedingungen zu gedenken, hat die Angewandte ein fünftägiges Trauerfeuer errichtet, Studierende, Lehrende und Uni-Mitarbeitende können sich zur Wache eintragen.

Am Dienstagabend zündet eine Studentin eine Grabkerze und eine Fackel am Trauerfeuer an. Die Kerze stellt sie zu den anderen, die vor dem Eingang, in Blumen eingebettet, stehen. Sie hält inne und geht mit der leuchtenden Fackel – vermutlich zum Ruprechtsplatz, wo das Feuer vergangenen Freitag geholt und am Dienstag wieder symbolisch zurückgebracht wurde. Wie es der Studentin geht, lässt sich nur erahnen – das Rektorat hat gebeten, keine Angehörigen oder Trauernden zu interviewen.

"Solche kollektiven Rituale sind für die Verarbeitung wichtig", sagt Franz Oberlehner, Leiter der psychologischen Studierendenberatung Wien. Besonders wenn Angehörige einer Uni so direkt betroffen sind. Von der Angewandten wurde den Abteilungen der beiden Studierenden psychologische Hilfe zur Verfügung gestellt.

Gespräche in der Vorlesung

"Generell hilft alles, wo man sich austauschen kann – auch digital in der Vorlesung", sagt Oberlehner. Auch für jene, die in der Terrornacht etwa in einem Lokal ausgeharrt haben oder sie in den Medien verfolgt haben, sei das Gespräch essenziell.

An der Uni sollte man nicht sofort zum "Business as usual" übergehen. Wichtig sei, den Studierenden zu vermitteln, dass es "normal ist, betroffen zu sein, nicht lernen zu können". Bei üblicher Verarbeitung vergehe das "nach ein paar Tagen". Manche verlören aber auch ein Sicherheitsgefühl, fühlten sich wie gelähmt. Wer "sehr neben sich steht, Angst, Flashbacks oder körperliche Reaktionen hat, sollte professionelle Hilfe suchen", rät der Psychologe.

Auch abseits des Terrors befänden sich viele Studierende in einer belastenden Situation. Immerhin sind die meisten seit März im Corona-bedingten Distance-Learning, der aktuelle Lockdown setze vielen zu. Das merke Oberlehner auch in der Beratungsstelle: "Der Andrang ist enorm, gleichzeitig haben wir weniger Personal als vor einem Jahr. Das ist herausfordernd." Man bemühe sich trotzdem, niederschwellig mit Onlinetherapie zu helfen.

Zur Wachablöse legt ein Dozent Holzscheite nach, damit das Feuer nicht erlischt. Seit vergangenem Mittwoch deutet noch die kreisrunde Inschrift an der Glasfront auf die Betroffenheit der Uni hin. Und künftig wird sich die Terrornacht wohl auch in den Werken und Arbeiten der Studierenden und Lehrenden niederschlagen. (set, 22.11.2020)