Streitbarer Bezirkschef des Grazer Bezirks Gries: der Grüne Tristan Ammerer.

Foto: Nikola Milatovic

Hans Kloepfer war ein Nazidichter. Das ist keine neue Erkenntnis. Außerdem war er Arzt in der Weststeiermark, und posthum kann man den Patienten des 1944 verstorbenen Mannes nur wünschen, dass er als Arzt besser war denn als reimender Mundartdichter. Eine Kostprobe: "Schreibm tuat er si Hitler, / und uns so guat gsinnt, / wia ma weit in der Welt / net an liabern wo findt." Mit Zeilen wie diesen bejubelte Kloepfer den sogenannten Anschluss Österreichs an Nazideutschland. Er war NSDAP-Mitglied, zu seinem Begräbnis schickten Hitler und Joseph Goebbels Kränze. Wenn man die Ehrenbürgerliste der Stadt Graz online aufruft, erscheint er dort seit 1942 – und noch immer – mit einem harmlosen Text zu seiner Biografie als Arzt.

Wissenschaftlich oft untersucht

Zu den vielen Menschen, die sich auch schon wissenschaftlich mit Kloepfers Biografie auseinandergesetzt haben, zählt auch der grüne Bezirksrat des Grazer Bezirks Gries, Tristan Ammerer. Ammerer wurde in den letzten Monaten auch über Graz hinaus bekannt, weil er sich nach den Attacken auf die Grazer Synagoge, die in "seinem" Bezirk steht, sehr für den besseren Schutz des Tempels einsetzte.

Er hat sich im Rahmen einer Seminararbeit mit "belasteten Schriftstellern in Österreich und deren (Über-)Repräsentation im Straßenbild von Graz" beschäftigt – und damit auch mit Kloepfer. Von Kloepfer steht eine Büste auf dem Grazer Schlossberg. Immer noch. Über die Jahrzehnte wurde sie immer wieder beschmiert. Manchmal auch nur mit einem kleinen Hitlerbärtchen.

Der Tweet des Anstoßes

Im Juni dieses Jahres erregte ein Tweet zu Kloepfer Aufsehen bei der FPÖ: "Am Grazer Schlossberg steht nach wie vor die Büste des fanatischen Nazis Hans Kloepfer. Hans Kloepfer war Propagandadichter der Nazis, SONST NICHTS. Als er 1944 starb, schickten Hitler und Goebbels persönlich Trauerkränze. Er ist auch noch Ehrenbürger der Stadt #Graz", twitterte Ammerer.

Die Büste des Nazidichters Hans Kloepfer auf dem Grazer Schlossberg vor der jüngsten Beschmierung.
Foto: der standard

Am Tag nach Absetzen dieses Tweets wurde Kloepfers Büste mit Farbe beschmiert.

Auf der Facebook-Seite der FPÖ Graz wurde daraufhin ein Foto der beschmierten Büste mit dem Text "Hat Bezirksvorsteher zur Straftat aufgerufen?" gepostet, die Seiten der FPÖ Gries und der FPÖ Lend sowie rechtsextreme Medien teilten den Beitrag. Im Begleittext wurde angemerkt, dass die Justiz klären müsse, ob Ammerer an dem Vandalenakt schuld sei – womit fälschlich suggeriert wurde, dass es ein Verfahren gegen Ammerer gab.

Zumindest etwas anderes hat die Justiz dieser Tage aber geklärt: Ammerer brachte nämlich Anträge wegen übler Nachrede gegen die FPÖ beim Landesgericht Graz ein und bekam nun in erster Instanz recht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die FPÖ hat dagegen berufen – sollte es in zweiter Instanz bestätigt werden, muss die FPÖ nicht nur das Urteil öffentlich verkünden, sondern auch die Verfahrenskosten übernehmen und Ammerer zweimal 2.000 Euro zahlen.

Falsches Impressum

Im Zuge des Verfahrens stellte sich heraus, dass das Impressum auf den Seiten der FPÖ nicht richtig war. Deswegen strebt nun Ammerers Anwältin Maria Windhager, die auch für den STANDARD tätig ist, ein weiteres Verfahren an, weil die Partei nicht bereit war, dafür die Kosten zu übernehmen.

DER STANDARD berichtete übrigens über viele Jahre immer wieder über die Ehren, die Kloepfer zuteilwurden. Vor sieben Jahren sagte der damalige Sprecher des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP), dass man den Eintrag zur Ehrenbürgerschaft prüfen würde. Vor einem Jahr fragte DER STANDARD nach, nachdem Neos-Gemeinderat Niko Swatek einen Antrag im Gemeinderat zur Überprüfung eingebracht hatte. Obwohl Kloepfers Lyrik heute nicht mehr wirklich vielen Menschen ein Begriff ist, fand sich bei der folgenden Debatte im Gemeinderat ein Kenner unter den Mandataren. Nämlich im Klub der FPÖ, die den Koalitionspartner von Bürgermeister Nagl stellt.

"Zugang zu den Menschen"

Der FPÖ-Gemeinderat Berno Mogel gab laut Sitzungsprotokoll zu bedenken: "Aus seinen Gedichten, vor allem aus dieser Zeit, zum Beispiel 'Der Ruß', ich weiß nicht, ob ihr das kennt, merkt man seinen sehr, sehr versöhnlichen und einfühlsamen Zugang zu den Menschen." Woraus Mogel schloss, dass 70 Jahre danach das Thema "absolut nicht dringlich" sei.

Kloepfer blieb auf der Liste der Ehrenbürger, der Eintrag auf der Seite der Stadt Graz ist weiter unverändert. Von Kloepfers schriftstellerischer Tätigkeit ist darin keine Rede, nur davon, dass er ein Landarzt war. In Graz hatte er nur studiert und ein Volontariat in einem Krankenhaus absolviert.

Warten auf den Begleittext

Am Freitag hieß es auf Nachfrage aus dem Büro Nagl schließlich, "Ende November kommt ein erklärender Begleittext dazu. Die Ehrenbürgerschaft wegnehmen kann man ihm nicht. Toten kann man nichts wegnehmen. Die Ehrenbürgerschaft erlischt außerdem mit dem Tod."

Vor sechs Jahren hatte die Stadt Graz eine Historikerkommission damit beauftragt, sämtliche 790 personenbezogenen Straßen- und Plätzenamen der Stadt zu überprüfen. Der Bericht dazu ist seit zwei Jahren fertig. (Colette M. Schmidt, 20.11.2020)