Die Euphorie Anfang vergangener Woche war groß: "Das ist die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Jänner erhalten habe", twitterte der in New York tätige österreichische Virologe Florian Krammer. Der Grund für den Expertenjubel: Die Firmen Biontech und Pfizer gaben erste konkrete Daten über die Wirksamkeit ihres Impfstoffs gegen Covid-19 bekannt, auf die man mit Hochspannung gewartet hatte.

Die Ergebnisse aus der Studie mit 43.000 Probanden – Krammer war übrigens einer von ihnen – waren noch besser als erhofft. Das Vakzin BNT162b2 hat eine 95-prozentige Schutzwirkung. Zum Vergleich: Bei der normalen Grippeimpfung liegt die Wirksamkeit gerade einmal bei rund 60 Prozent. Eine ähnliche Erfolgsmeldung kam Anfang dieser Woche von der US-Pharmafirma Moderna.

Die Firmen Biontech und Pfizer gaben erste konkrete Daten über die Wirksamkeit ihres Impfstoffs gegen Covid-19 bekannt.
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Am Freitag beantragten Biontech und Pfizer bei der FDA die sogenannte Notfallzulassung in den USA. Anfang nächster Woche werden sie auch der Europäischen Arzneimittelbehörde die jüngsten Studienergebnisse übermitteln. Wenn alles klappt, gibt es noch Ende Dezember hüben wie drüben die Zulassung erster hochwirksamer Impfstoffe gegen das neue Coronavirus, das letztlich nur durch Impfungen besiegt werden kann.

Im Normalfall dauern solche Prüfprozesse sehr viel länger, und auch die Entwicklung und Testung eines Impfstoffs war bisher nicht unter vier Jahren zu schaffen. Dass es nun so schnell gehen könnte, liegt aber keineswegs daran, dass man bei den Sicherheitsvorschriften Abstriche machen und die Impfstoffe "durchwinken" würde, sondern an spektakulären Fortschritten in der Biomedizin, an hochambitionierten Forschern, viel Risikokapital und an der ausschließlich zeitlichen Straffung der Zulassungsschritte.

Revolution durch Arzneimittel

Beginnen wir bei der Wissenschaft: Seit einigen Jahren bahnt sich in der Biomedizin eine Revolution durch Arzneimittel an, die auf der Basis von Boten-RNA funktionieren. Dadurch können spezifische Immunreaktionen ausgelöst werden, die etwa auch bei Krebserkrankungen Heilung versprechen. Die deutsche Firma Biontech und Moderna sind in diesem hochinnovativen Bereich weltweit führend. In beiden Firmen hat man bereits im Jänner erkannt, dass diese Technologie auch gegen Covid-19 wirken könnte, und mit "Lichtgeschwindigkeit" (so der Name des Biontech-Projekts) einen Impfstoff entwickelt.

Das war eine auch unternehmerisch mutige Entscheidung, für die einiges Risikokapital nötig war. Denn einen Impfstoff zur Marktreife zu bringen ist wegen der aufwendigen klinischen Prüfungen nicht unter einer Milliarde Euro zu machen. So sind für die dritte und entscheidende Studienphase mehr als 30.000 Probanden vorgeschrieben, und zumindest die Hälfte davon muss mehr als zwei Monate lang auf Nebenwirkungen beobachtet werden.

Das war auch der Grund, warum weder die Firmen noch die FDA dem politischen Druck auf eine Impfstoffzulassung nachgeben konnten, den US-Präsident Donald Trump vor den Wahlen machte. Und auch jetzt muss man die Zulassungsbehörden, wo rund um die Uhr gearbeitet wird, ohne jede Einmischung prüfen lassen. Denn nur so kann die Sicherheit der Impfstoffe gewährleistet und bei den Menschen Vertrauen in sie hergestellt werden. Wenn sich nämlich nur wenige impfen lassen wollen, können selbst hundertprozentig wirksame Vakzine nichts gegen die Pandemie ausrichten. (Klaus Taschwer, 21.11.2020)