SPÖ in Aktion: Die türkis-grüne Pensionspolitik wird zum Aufreger.

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Beim Thema Pensionen ist die Stimmung vergiftet. Anders ließen sich Gesten und Mimik der Abgeordneten am Freitag im Nationalrat kaum deuten. Die Pensionsdebatte stand noch lange nicht auf dem Programm, da demonstrierten die Sozialdemokraten bereits, was sie von den Plänen der türkis-grünen Regierung halten: "Pensionsraub stoppen", "Leistung muss sich lohnen" oder "45 Jahre sind genug" stand auf den Schildern zu lesen, die sie emporstreckten.

In Rage gebracht haben die SPÖ zwei Änderungen, die ÖVP und Grüne am Freitag ins Parlament gebracht haben. Erstens schafft die Koalition die unter dem Namen "Hacklerreglung" populäre Möglichkeit ab, nach 45 Arbeitsjahren bereits mit 62 und nicht erst mit dem gesetzlichen Pensionsalter von 65 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen (DER STANDARD berichtete). Zweitens verlieren Pensionisten im ersten Jahr nach Antritt das Recht auf den vollen Teuerungsausgleich. Am Freitagabend wurde die Pensionsreform mit den Stimmen der Koalition und der Neos beschlossen.

Zur Erklärung: Das Gesetz sieht vor, dass Pensionen jährlich um das Ausmaß der Inflationsrate des Vorjahres erhöht werden. Derzeit hat jeder Pensionist dieses Anrecht, auch wenn er erst spät im Jahr in den Ruhestand getreten ist, die Teuerung also noch kaum gespürt hat.

Warten auf höhere Pension

ÖVP und Grüne führen nun eine Aliquotierung ein. Nur wer im Jänner in Pension geht, erhält im Folgejahr die volle Abgeltung. Bei Antritt im Februar gibt es 90 Prozent der Erhöhung, bei März 80 Prozent und so weiter. Jene Menschen, die im November und Dezember gehen, müssen bis zum übernächsten Jahr auf den Teuerungsausgleich warten.

Wie die Hacklerregelung wurde die Pensionserhöhung im ersten Jahr schon mehrmals eingeführt und aus Geldnöten wieder abgeschafft – übrigens auch von Regierungen unter roter Kanzlerschaft. Zuletzt verhalf der Nationalrat auf Initiative der SPÖ beiden umstrittenen Errungenschaften vor der Wahl 2019 zu einem Comeback, seit heuer sind die Bestimmungen in Kraft. Laut einer Analyse des Budgetdienstes würden die Kosten für die zwei Vorteile bis 2030 auf etwa 900 Millionen Euro pro Jahr anschwellen.

Die SPÖ hingegen berechnete Auswirkungen für den Einzelnen. Pensionisten mit 1200 Euro brutto im Monat koste das türkis-grüne Modell der Inflationsabgeltung über die gesamte Pensionsdauer hinweg 14.000 Euro, sagte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: Statt "milliardenschwerer Onlinekonzerne" bitte die Regierung als Erstes die Pensionistinnen und Pensionisten zur Kasse. Oder, im als Frage verpackten Vorwurf von Sozialsprecher Josef Muchitsch im Parlament: "Warum bestrafen Sie die Arbeiter und Angestellten? In welcher Welt leben Sie?"

In einer Welt, in der viele Menschen wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder nötiger Ausbildung nie die 45 Arbeitsjahre für die Hacklerregelung schafften, konterte der grüne Sozialsprecher Markus Koza. Deshalb sei der neue Frühstarterbonus für all jene, die im Alter von 15 bis 20 Jahren zumindest zwölf Monate gearbeitet haben, gerechter. Laut Pensionsversicherung dürfte der Bonus 60.000 bis 70.000 Menschen zugutekommen, das wären etwa viermal so viele wie bei der Hacklerregelung – die Hälfte davon Frauen.

Alles plötzlich Teufelswerk

In die Debatte mischten sich angestaute Animositäten. Die Breitseite der FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch gegen die "unfaire, ungerechte, asoziale" Politik unter der "Sozialabbau-Partei ÖVP" kontert ihr türkiser Kollege Christoph Zarits: "Ich danke jeden Abend dem Herrgott dafür, dass ich nichts mehr mit der FPÖ zu tun habe."

Auch mit der SPÖ betrieb Zarits Vergangenheitsbewältigung. Er erinnerte daran, dass es einst eine rot-schwarze Koalition war, welche die Hacklerregelung auslaufen ließ – "damals, als ihr noch eine stolze staatstragende Partei wart". Doch wenn die SPÖ nicht dabei ist, "ist alles plötzlich Teufelswerk".

Den absoluten Gegenpol zu SPÖ und FPÖ verkörpern in der Pensionsdebatte aber die Neos. Die Hacklerregelung gehöre ersatzlos abgeschafft, sagte Sozialsprecher Gerald Loacker: Denn auch mit ihrem Bonus gebe die Regierung Geld aus, "das nicht vorhanden ist". (Gerald John, 20.11.2020)