Birgit Hebein ortet einen "Riss in der Partei" und deutet an, dass sie nicht bis Ende 2021 Grünen-Chefin bleibt.

Foto: Grüne Wien / Karo Pernegger

Bis Ende 2021 ist die noch amtierende Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein als grüne Parteivorsitzende gewählt worden. Bei der Landesversammlung der Wiener Grünen, die am Samstag erstmals nur online über die Bühne ging, ergriff Hebein zum ersten Mal nach ihrer Demontage im eigenen Rathausklub das Wort.

Es brauche nun einen programmatischen Prozess innerhalb der Partei, sagte Hebein. Diesen wolle sie als Parteichefin noch mitgestalten und dafür sorgen, dass ihre Nachfolge geregelt über die Bühne geht. Damit ließ Hebein durchklingen, dass diese Übergabe früher als Ende 2021 geschehen könne.

"Als Parteivorsitzende werde ich diesen programmatischen Prozess noch begleiten. Weil ich darin eine Chance sehe", sagte sie und: "Ich werde das in den nächsten Wochen tun und ich werde mich auch daran beteiligen, dass meine Nachfolge klar geregelt wird."

"Große Herausforderung"

Die vergangenen Tage seien "eine große Herausforderung" gewesen, sagte Hebein. Nicht immer sei es einfach in der Politik, erklärte die Parteichefin weiter. Mitunter sei es auch hart. Sie habe sich vorgenommen, "Klartext zu reden". Denn es sei wichtig, die Geschehnisse der vergangenen Tagen "offen anzusprechen".

Nur wenige Tage vor der Landesversammlung hatte Hebein sich in einer internen Klubsitzung um drei Posten beworben: Bei der Wahl zur Klubchefin unterlag sie dem aktuellen Klubobmann David Ellensohn mit vier zu 14 Stimmen. Auch die Abstimmung um die beiden nicht amtsführenden Stadtratsposten verlor Hebein deutlich gegen Planungssprecher Peter Kraus und gegen Quereinsteigerin Judith Pühringer – auch wenn letztere Wahl knapper ausging.

"Riss in der Partei"

Hebein betonte in ihrer Rede erneut, dass sie bei der grün-internen Wahl von der Basis zur Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl bestimmt wurde, dass sie dann im Oktober sogar rund 7.000 Vorzugsstimmen erhalten hatte. Doch trotzdem hatte sich der Klub gegen sie entschieden. "Ja es gibt einen Riss durch die Partei, der ist deutlich zu spüren", sagte Hebein. Dieser habe sich etwa beim Heumarkt gezeigt, "bei der Ablöse meiner Vorgängerin und bei der Spitzenwahl", sagte die Parteichefin. "Ich glaube, dass dieser Riss auch für meine Nicht-Wahl zu einer Führungsfunktion im Rathaus verantwortlich ist".

Bei der ersten grün-internen Urabstimmung hatte sich die grüne Basis 2017 mit 51,3 Prozent gegen das Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt ausgesprochen. Doch der Klub stimmte im Gemeinderat für die Umgestaltung.

Hebein erklärte am Samstag zudem, dass der Parteirat am Freitag beschlossen habe, einen Ausschuss einzusetzen um die Causa aufzuarbeiten. "Weil wir nicht zur Tagesordnung übergehen wollen." Das Gremium soll strukturelle Lücken finden, und das, was übersehen wurde, aufzeigen: "Weil es wichtig ist daraus zu lernen, weil es wichtig ist, dass uns das nicht wieder passiert oder wir in irgendeine Krise schlittern."

Herbe Enttäuschung

Die Grünen hätten eine "herbe Enttäuschung" erleben müssen. Erst haben sie mit 14,8 Prozent der Stimmen im Oktober das historisch beste Ergebnis der Grünen bei der Wien-Wahl erhalten. Doch dann hat sich die SPÖ gegen sie und für die Neos als Koalitionspartner entschieden. "Das schmerzt", sagte Hebein und das spüre eine Parteivorsitzende und Spitzenkandidaten natürlich hautnah.

Hebein verwies zudem auf die vergangenen zehn Jahre Rot-Grün. "Wir haben Wien geprägt, so sehr, dass es auch kein Zurück mehr gibt." Rot-Pink sei die Fortschreibung grüner Errungenschaften. "Wir haben nicht nur Maßstäbe sondern auch Standards gesetzt", sagte die Grüne und zählte einige der Projekte auf: die Umgestaltung der Mariahilfer Straße, das 365-Euro-Jahresticket, die Mindestsicherung oder auch die neue Bauordnung.

Doch oft hätten die Grünen in der Koalition auch zurückstecken müssen. Nun hätten die Grünen die Chance eine starke Opposition zu sein. "Und das können wir", betonte Hebein. Gleichzeitig solle parteiintern ein programmatischer Prozess durchgeführt werden. Die Öko-Partei solle Themen abseits von Klimaschutz und dem Sozialbereich verstärkt forcieren. So sollen etwa frauenpolitische Themen oder Integration wieder eine größere Rolle spielen.

Kritischer Diskurs im Bund

Eine Nachricht hatte Hebein auch an die Bundespolitik: "Wir werden den kritischen, konstruktiven Diskurs vermehrt führen." Etwa gebe es beim Terrorgesetzespaket noch viele offene Fragen. Und: "Nein wir können noch immer niemanden erklären, warum Waffengeschäfte im Lockdown offen haben." (Oona Kroisleitner, 21.11.2020)