Ein US-Regierungsvertreter spricht von einer "sterbende Pipeline, die nicht stattfinden wird".

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Washington/Moskau/Wien – Die US-Regierung sieht die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, an deren Finanzierung auch die OMV beteiligt ist, auf den letzten Metern vor dem Aus und erhöht den Sanktionsdruck auf involvierte europäische Unternehmen. "Diese Pipeline findet nicht statt", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur dpa in Washington. "So sieht eine sterbende Pipeline aus."

Die Regierung habe eine Anzahl Unternehmen und Personen identifiziert, denen nach dem Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 erste Strafmaßnahmen drohten. Die Betroffenen würden derzeit kontaktiert und über die drohenden Sanktionen informiert. "Die USA wollen keine Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängen müssen. Wir machen diese Anrufe, um sie zu warnen und ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben", sagte der Regierungsvertreter. Die Abwicklung von Aktivitäten im Zusammenhang mit Nord Stream 2 werde nicht mit Sanktionen belegt.

Breite Mehrheit für Sanktionen

"Anstatt mehr Geld in die Nord-Stream-2-Pipeline und damit zusammenhängende Aktivitäten zu stecken, wären Unternehmen besser beraten, Klauseln über höhere Gewalt anzuwenden, um ihre Beteiligung an Nord Stream 2 rückgängig zu machen", sagte der Regierungsvertreter. Angaben dazu, welche Unternehmen konkret kontaktiert würden, machte er nicht. Er nannte Nord Stream 2 "ein geopolitisches Projekt, das Russland dazu nutzen wird, europäische Länder zu erpressen".

Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde. Der US-Kongress hatte im vergangenen Dezember das "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" (Peesa) mit parteiübergreifender Unterstützung verabschiedet. Trotz scharfer Kritik aus Deutschland und Russland hatte US-Präsident Donald Trump das Gesetz am 20. Dezember in Kraft gesetzt. Die Sanktionen zielten auf die Betreiberfirmen der Spezialschiffe ab, die die Rohre für die Pipeline verlegten.

Dadurch wurde der Bau zunächst gestoppt. Die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen Rohre in der Ostsee verlegt hatte, stellte die Arbeiten wegen der drohenden US-Sanktionen Ende vergangenen Jahres ein. Damals waren nach Angaben des Betreiberkonsortiums von Nord Stream 2 bereits 2300 der rund 2460 Kilometer langen Gasleitung von Russland nach Deutschland verlegt.

Russischer Alleingang

Der US-Regierungsvertreter sagte, durch die Kosten wegen der Verzögerung stehe das Betreiberkonsortium nun vor der Wahl, "entweder für einen Bailout nach Moskau zu gehen oder um zusätzliche Gelder von Gläubigern zu bitten, und in den letzten Monaten haben wir von den derzeitigen Gläubigern Zusagen erhalten, dass es keine zusätzliche oder neue Finanzierung geben wird".

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte nach Verhängung der US-Sanktionen angekündigt, die Arbeiten eigenständig zu Ende bringen – unabhängig von ausländischen Partnern. Auch das Betreiberkonsortium hatte betont, die Pipeline fertigstellen zu wollen.

Im Oktober veröffentlichte das US-Außenministerium neue Richtlinien, wonach auch die Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen und Einrichtungen für die Verlegeschiffe bestraft werden könne. Der US-Regierungsvertreter sagte, dazu werde ein erster Bericht der Regierung an den Kongress in den nächsten Tagen oder Wochen vorgelegt. Darin würden Personen und Unternehmen benannt, die potenziell gegen das Gesetz verstießen.

Biden kritisiert Pipeline

Er betonte, Befürworter von Nord Stream 2 sollten sich keine Hoffnungen auf einen Regierungswechsel in Washington machen, und verwies darauf, dass Strafmaßnahmen parteiübergreifend unterstützt werden und verpflichtende Sanktionen vorsehen. "Das bedeutet, dass die Sanktionen unabhängig davon umgesetzt werden, wer im Oval Office sitzt."

Am 20. Januar wird der neue US-Präsident vereidigt. Nach der Wahl am 3. November war der Demokrat Joe Biden zum Sieger ausgerufen worden. Amtsinhaber Trump ist ein erbitterter Gegner von Nord Stream 2. Auch Biden steht dem Projekt kritisch gegenüber. Noch in seiner früheren Rolle als US-Vizepräsident unter Barack Obama hatte Biden die Pipeline "einen fundamental schlechten Deal für Europa" genannt. (APA, red, 21.11.2020)