Dem Ford Mondeo Hybrid, der selbstfahrend seine Runden auf dem Campus der TU Graz dreht, sieht man sofort an, dass er ein Forschungsfahrzeug ist. Die Sensoren, deren Daten in einem Computer im Wagen grafisch dargestellt werden können, sind auffällig montiert – nicht nur für einen guten Überblick, sondern auch um schnell getauscht werden zu können. Im Heck ist eine Rechnerlandschaft untergebracht, die manchen Nerd schnappatmen lässt.

Dieser Ford Mondeo fährt autonom am Campus der TU in Graz.
Foto: Guido Gluschitsch

Der selbstfahrende Versuchsträger ist nur einer von mehreren, der bei Europas größtem Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung in Graz, Virtual Vehicle Research, unterwegs ist. Es gibt auch elektrisch angetriebene Fahrzeuge, so groß wie eine bessere Steige mit vier Rädern, in der die Rechner stecken und die Standardisierte Steckplätze für Sensoren haben, die so getestet werden können – überall auf der Welt, weil das Gefährt so kompakt ist.

Die Reste eines Corsa

Eher recht schwer zu transportieren – und wir hoffen, die Computernerds haben sich inzwischen derfangen – ist der Opel Corsa, der sich im Hauptgebäude von Virtual Vehicle befindet. Obwohl, um zu erkennen, dass es sich hierbei um einen Corsa handelt, muss man eher Autonarr als Computerexperte sein. Vom Corsa ist nämlich kaum noch was da. Lediglich jene Teile, die dafür entscheidend sind, dass sich der Fahrer in einem echten Auto wähnt, gibt es noch. Also kein Motor, keine Räder, hinter dem Fahrersitz ist er abgeschnitten. Dafür steht er auf vier elektronisch gesteuerten Stempeln, die das Gehäuse bewegen, um die Simulation perfekt zu machen.

Nein, die Simulation wird eigentlich erst durch das perfekt, was der Autonarr Bildschirm nennen würde. Mehrere Projektoren spielen auf einer riesigen Leinwand eine virtuelle Stadt ein, sodass man vom Fahrersitz aus gar nichts anderes mehr sehen kann als ebendiese Illusion.

So sieht das Potemkin’sche Dorf in einer perfekten Simulation für den Fahrer im Drive Lab von Virtual Vehicle Research in Graz aus.
Foto: Guido Gluschitsch

Mit diesem Fahr-, nein, Steh- und Rumpelzeug, können gefahrlos Fahrten und Verkehrssituationen simuliert werden. Dabei geht es aber nicht um ein Spiel, sondern darum, herauszufinden, wie Menschen bei ebendiesen Aufgaben reagieren.

Was man noch nicht sieht, sind die Sensoren, die verbaut sind, die den Fahrer beobachten.

Gebraucht werden deren Daten, um autonom fahrenden Autos menschliche Züge zu verpassen. Denn während einige Hersteller andenken, mit Nachrichten auf dem Kühlergrill mit Fußgängern zu kommunizieren, fand man so heraus, dass es eine Art geheime Kommunikation zwischen Fußgängern und Autofahrern gibt. Fußgänger können allein an der Art, wie sich ein Auto fortbewegt, ablesen, ob sie die Straße gefahrlos überqueren können oder ob da mehr ein Trottel am Steuer sitzt – und das, lange bevor sie den Fahrer wirklich sehen.

Menschlich fahren

Solche Feinheiten sind extrem wichtig, wenn man andenkt, autonom fahrende Autos zu bauen. Sie müssen nämlich sicherer sein als von Menschen gelenkte Fahrzeuge. Setzen diese Autos aber die Sicherheit über alles, dann werden sie nur extrem langsam fahren können und viel zu defensiv unterwegs sein, um als Ersatz für das Selberfahren herhalten zu können. Oder anders gesagt: Kaum jemand wird mit einem selbstzuckelnden Auto fahren, und sei es noch so sicher, wenn es zwei- oder dreimal so lange braucht, als wenn man selber fährt.

"Es gibt einen Unterschied zwischen ‚sicher sein‘ und ‚sich sicher fühlen‘. Autonome Fahrfunktionen müssen beides bieten", erklärt Jost Bernasch, CEO bei Virtual Vehicle Research. Autonom fahrende Autos müssen also zu einem Teil so fahren, wie es eine Person machen würde.

Auf diesem Fahrzeug können Sensoren moniert und getestet werden.
Foto: Guido Gluschitsch

Bis dahin gibt es noch einiges zu tun, wie Jost Bernasch bestätigt: "Aus heutiger Sicht sind autonome Fahrzeuge wie menschliche Fahranfänger: Wir beginnen mit einfachen Situationen und steigern uns langsam zu komplexeren. Der wichtige Unterschied: Was ein autonomes Auto gelernt hat, können andere autonome Autos dann auch."

Und: "Moderne Fahrzeuge werden nach der Auslieferung laufend besser", weil sie permanent online sind und sich so einfach Updates selbst holen können.

Wann autonom fahrende Autos zum alltäglichen Straßenbild gehören werden, hängt nicht nur von der Entwicklung der Autos, sondern auch von der Politik und der Infrastruktur ab. Auf der Autobahn wird es schneller gehen als abseits davon. Aber eines ist für Jost Bernasch schon jetzt klar: "Für künftige Autos gilt: Prozessorleistung schlägt Motorleistung." (Guido Gluschitsch, 30.11.2020)