Die Frage, ob die Sozialdemokratie ins Museum gehört, ist schnell beantwortet: Man braucht eine Partei, die einerseits den Sozialdarwinismus bekämpft, andererseits für eine offene Gesellschaft eintritt. Daran lässt der bekannte Politologe Anton Pelinka in seinem neuen Essayband Die Sozialdemokratie – ab ins Museum? keinen Zweifel.

Anton Pelinka, "Die Sozialdemokratie – ab ins Museum?" € 12,50 / 128 Seiten. Leykam-Verlag, Graz, 2020
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Österreich-Verzwergung

Aber sie habe entscheidende neue Entwicklungen verschlafen, darunter die Zuwanderergesellschaft. Pelinka empfiehlt der Sozialdemokratie, sich nicht in eine "patriotische Österreich-Verzwergung" zu flüchten, sondern: "Sie darf sich nicht damit abfinden, dass mitten in Österreich eine Parallelgesellschaft besteht, definiert nicht über Kultur oder Religion, sondern über rechtliche Ausgrenzung." Hunderttausende Menschen "leben legal in Österreich, haben aber für eine unbegrenzte Zahl von Jahren den Status von ‚Fremden‘. Sie müssen in Österreich Steuern zahlen und Gesetze befolgen, haben aber nicht die Möglichkeit, durch die Beteiligung von Wahlen die Gestaltung dieser sie betreffenden politischen Ordnung mitzubestimmen." Das sei das größte Demokratiedefizit Österreichs. Heißt wohl, "die Menschen, die in Österreich leben", wie es etliche Politiker inzwischen in ihren Anreden formulieren, forciert zu Staatsbürgern zu machen.

Grundsätzlich solle und könne die SPÖ "die Attraktivität der liberalen Demokratie Europas als Stärke sehen, sie kann und soll die Europäisierung und Globalisierung als Chance begreifen – und nicht als einen Grund, sich ängstlich in eine Festung namens Österreich zu verkriechen".

Helmut Brandstätter, "Letzter Weckruf für Europa". € 24,00 / 288 Seiten. Kremayr & Scheriau, Wien, 2020
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Europa. Das ist auch der Bezugspunkt von Helmut Brandstätter, lange ein bekannter Journalist, u. a. beim ORF und Kurier, jetzt Neos-Abgeordneter. Sein Letzter Weckruf für Europa warnt vor einer Marginalisierung eines Europa, dass – auch nach Donald Trump – mehr und mehr ohne den großen Beschützer USA auskommen muss und sich der Dominanzstrategie Chinas und den Destabilisierungsversuchen von Wladimir Putins Russland ausgesetzt sieht.

Das Primat des Staates

Aber auch von innen sei Europa, die EU, bedroht, sei es durch autoritäre Antidemokraten in Polen und Ungarn, sei es durch Politiker ohne "politisch-historischen oder emotionalen Zugang zur Idee Europa" wie Sebastian Kurz, sei es durch den fundamentalistisch-islamischen Herrschaftsanspruch: "Das Primat des Staates über jede Religionsgemeinschaft darf nicht in Zweifel gezogen werden, das hat die katholische Kirche mühsam gelernt, das müssen manche Muslime noch verstehen, wenn sie in Europa leben wollen".

Brandstätter hat viele Gespräche in den potenziellen Beitrittsstaaten des Westbalkan geführt: "Die große Gefahr besteht darin, dass nationalistische Anführer immer wieder nach dem Schema ‚Wir gegen die‘ Auseinandersetzungen anheizen. Dieser Mechanismus funktioniert ja leider auch in entwickelten Demokratien."

Ernst Schmiederer, "Warum wir Fremde nicht wie Feinde behandeln dürfen". € 12,00 / 75 Seiten. Edition Konturen, Wien, 2020
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Fiktion Feind

Warum wir Fremde nicht wie Feinde behandeln dürfen heißt die Schrift des Journalisten Ernst Schmiederer. Das oft gebrauchte "Wir" lebe "exklusiv von der Unüberbrückbarkeit zu jenen, die ‚ebenfalls Menschen sind, aber Menschen von der falschen Sorte‘. Menschen, die kein Recht auf die Rechte haben, die einem selbst zustehen. Feinde." Doch das sei eine Fiktion. Solle man "noch mehr und immer wieder Angst haben? Noch mehr Menschen aussortieren, ausgrenzen, als Feinde behandeln ? No way." (Hans Rauscher, 22.11.2020)