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In Turnsälen, Schulen und Wahllokalen wurde getestet, immerhin 70 Prozent der Bevölkerung nahmen teil. Österreichische Vertreter waren als Beobachter vor Ort.

Foto: AP/Calanni

Bozen – Südtirol ist es gewohnt, Spitzenreiter in Italien zu sein – sei es beim Bruttoinlandsprodukt, sei es die Quasi-Vollbeschäftigung, von der andere italienische Regionen nur träumen können. Jetzt hingegen verzeichnet die autonome Provinz im Norden einen landesweit wenig ruhmreichen Spitzenplatz mit der bei weitem höchsten Sieben-Tage-Inzidenz (751). Das Covid-19-Massenscreening des vergangenen Wochenendes soll den Weg aus dem Lockdown hin zu offenen Skipisten weisen. Beachtlich war dabei die enorme Beteiligung von rund 70 Prozent (Schätzung zu Redaktionsschluss, Anm.), verblüffend hingegen die niedrige Trefferquote von nur 1,3 Prozent.

Die Menschen stehen in rigorosem Zwei-Meter-Abstand vor dem Jugendzentrum "Vintola 18" in der Bozner Altstadt an. Die Schlange verläuft rund um den zementierten Fußballplatz. Gut 60 Menschen harren ruhig aus und rücken alle ein, zwei Minuten vor, wenn wieder jemand zum Abstrich in die Turnhalle eingelassen wird. Geduld ist gefragt – und an dieser mangelt es den Wartenden nicht, auch wenn sich alle danach sehnen, im sonnigen und etwas weniger kalten Eck des Platzes zu stehen. "Ich bin eine verantwortungsbewusste Bürgerin und mache es für unser Südtirol", erklärt eine Seniorin stolz auf Italienisch. "Es ist wichtig, dass jeder von uns seinen Beitrag leistet, damit die Wirtschaft rasch wieder durchstarten kann", fügt ein Mann um die 50 auf Deutsch an.

Geschlossene Geschäfte und Schulen

Südtirol befindet sich wegen der hohen Infektionszahlen im Lockdown, nicht nur die Geschäfte, sondern auch sämtliche Schulen sind zu. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat die "Via altoatesina", der Südtiroler Weg, in Italien wiederholt für Aufsehen, aber auch Kritik gesorgt. Am Ende des ersten Lockdowns im Mai verabschiedete der Landtag ein eigenes Gesetz, um die "Phase Zwei" der Wiedereröffnung von Bars, Restaurants und Geschäften im Vergleich zum restlichen Staatsgebiet zu beschleunigen.

Einen "Südtiroler Weg" gab es auch jetzt im Herbst – allerdings in die entgegengesetzte Richtung –, als Landeshauptmann Arno Komptascher (SVP) per Dekret einen harten Lockdown verordnete, auch wenn laut staatlicher Richtlinien die Grundschulen (Volksschulen) und die erste Klasse Mittelschule offen hätten bleiben dürfen.

Und schließlich ist Südtirol auch mit dem Massenscreening einen eigenen Weg gegangen. In allen 116 Gemeinden wurden insgesamt 600 Teststraßen eingerichtet. Meist handelte es sich um die traditionellen Wahllokale. Getestet wurde von Freitag bis Sonntag per Antigen-Schnelltest. Ziel waren 350.000 Nasenabstriche, das entspricht rund 70 Prozent der Südtiroler Bevölkerung.

Beobachter aus Österreich

Der Ablauf war nicht immer reibungslos. Vor allem in den Städten bildeten sich in der ersten Phase sehr lange Schlangen, dann gab es Verspätungen bei der Übermittlung der Testergebnisse. Diese hätten ursprünglich nach einer Stunde per Mail oder SMS am Handy landen sollen. "Der Andrang ist so groß, alle geben ihr Bestes. Das Ergebnis wird innerhalb eines Tages übermittelt", versicherte der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Florian Zerzer und fügt hinzu: "Das Interesse aus dem In- und Ausland ist gewaltig." Tatsächlich reisten aus Wien Beobachter an. Der 5. Dezember – dann soll auch in Österreich ein Massentest beginnen – ist wahrlich nicht fern, und die Erfahrungen Südtirols können hilfreich sein, vor allem, was die Organisation und die Einbindung freiwilliger Helfer aus Zivilschutz und Feuerwehr betrifft.

Am Ende der dreitägigen Testreihe fällte die geringe Zahl positiver Ergebnisse von rund einem Prozent auf. Im Gröden-Tal war der Anteil noch viel weniger – vermutlich wegen der dort besonders hohen Infektionszahlen im vergangenen Frühjahr. Laut Landeshauptmann Kompatscher entspricht dies aber den soeben auch in der Slowakei gemachten Erfahrungen.

Der Ausbruch der Pandemie hatte Anfang März das abrupte, verfrühte Ende der Wintersaison bedeutet – ein harter Schlag für die Wirtschaft. Und jetzt hat die zweite Welle den ursprünglich für 28. November geplanten Saisonstart auf vorerst unbestimmte Zeit verschoben.

Hoffen auf die Skisaison

Durch das Massenscreening hofft Landesrat Schuler nun doch auf eine Inbetriebnahme der Lifte bereits Mitte Dezember, gerade noch rechtzeitig für die traditionellen Ski-Weltcuprennen in Gröden und Alta Badia. Kompatscher bremste allerdings die Erwartung: "Es ist verfrüht, von der Skisaison zu sprechen. Absolute Priorität ist die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in den Schulen", betonte er.

Die Infektionszahlen bleiben allerdings weiterhin hoch: Allein am Samstag wurden 548 neue Fälle und 16 Todesfälle verzeichnet. Am Dienstag sollen wieder die Kindergärten und Grundschulen öffnen. Die Lifte jedoch stehen noch still, auch wenn die Schneekanonen bereits auf Hochtouren laufen. Man weiß ja nie. (Stefan Wallisch, 22.11.2020)