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CBD wird aus der Cannabispflanze gewonnen, ist aber laut EuGH kein Suchtstoff.

Foto: AP / Susan Montoya Bryan

Cannabidiol (CBD) ist ein Suchtgift im Sinne des UN-Einheitsübereinkommens, meint die EU-Kommission. Der Europäische Gerichtshof meint in seiner aktuellen Entscheidung: nein, auch weil nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft CBD keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat (EuGH C-663/18 vom 19.11.2020).

Den Stein ins Rollen brachte ein Urteil gegen zwei ehemalige Geschäftsführer einer Gesellschaft zum Vertrieb elektronischer Zigaretten mit CBD-Öl. Das CBD wurde in der Tschechischen Republik aus rechtmäßig angebauten Hanfpflanzen hergestellt, nach Frankreich importiert und dort in Patronen für elektronische Zigaretten gefüllt.

Da in Frankreich nur die Fasern und Samen des Hanfs genutzt werden dürfen, das CBD aber aus der gesamten Pflanze gewonnen wurde, kam es zu einer Verurteilung durch das französische Strafgericht. Das Berufungsgericht wandte sich mit der Frage an den EuGH, ob die französische Regelung, wodurch die Vermarktung von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellten CBD verboten ist, gegen die Warenverkehrsfreiheit der EU verstoße.

Unschädliches CBD

Im ersten Schritt entschied der EuGH über die mögliche Klassifizierung von CBD als Suchtgift. Diese war laut dem EuGH zu treffen, weil sich Personen, die Suchtgifte vermarkten, nicht auf die Warenverkehrsfreiheit berufen können.

Der EuGH hält hierzu in seiner Entscheidung fest, dass "nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft, CBD keine psychotropen Wirkungen oder schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat". Folglich ist CBD nicht als Suchtstoff zu klassifizieren. Dieses Argument hatte bereits der Generalanwalt beim EuGH vorgebracht und lehnte damit ein Vermarktungsverbot in der EU ab.

In diesem zentralen Punkt widerspricht der EuGH der bisherigen Ansicht der EU-Kommission. Die vertrat basierend auf dem Anhang des Einheitsübereinkommens der Uno stets die Auffassung, dass CBD ein Suchtstoff sei, und zwar unabhängig vom CBD- und THC-Gehalt.

Verschiedene Sondergesetze

Wie ist nun die Rechtslage in Österreich? Produkte aus den Blüten-und Fruchtständen von gesetzlich definierten "Nutzhanfsorten" (z. B. CBD-Öle) sind vom Suchtmittelrecht ausgenommen, wenn ihr Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol, das eine berauschende Wirkung verursacht) 0,3 Prozent vor, während und nach dem Produktionsprozess nicht übersteigt.

Damit ist aber nur gesagt, dass solche Produkte in Österreich nicht als Suchtmittel eingestuft werden, was der Beurteilung des EuGH entspricht. Der Einsatz von CBD in Lebensmitteln, Kosmetika, Tabakerzeugnissen und Arzneimitteln wird aber in den verschiedenen Sondergesetzen geregelt, die von der oben genannten Entscheidung aber unberührt bleiben.

Die Entscheidung des EuGH löst in Österreich ein kollektives Aufatmen der CBD-Industrie aus. Diese wäre vor dem wirtschaftlichen Aus in der EU gestanden, wenn sich die Ansicht der EU-Kommission durchgesetzt hätte. Aber auch rechtliche Auswirkungen sind mittelfristig zu erwarten.

Ein neuartiges Lebensmittel

Ausgangspunkt ist in Österreich ein Erlass der damaligen Gesundheitsministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), aus dem Oktober 2018. Dieser hält fest, dass CBD-haltige Lebensmittel als neuartige Lebensmittel unter die Novel-Foods-Verordnung fallen – eine Einordnung, die durch die neueste EuGH-Entscheidung unverändert bleiben wird.

Im Sinne der Verordnung dürfen nur die neuartigen Lebensmittel auf den Markt gebracht werden, die von der EU-Kommission zugelassen und in die Unionsliste über neuartige Lebensmittel aufgenommen wurden.

Viele Unternehmen waren aufgrund dieses Erlasses gezwungen, CBD-haltige Lebensmittel – wir erinnern uns an die Hanf-Brownies der Konditorei Aida – vom Markt zu nehmen, weil CBD nicht als neuartiges Lebensmittel zugelassen ist. Die mangelnde Zulassung ist wiederum auf die EU-Kommission zurückzuführen, die ja die Ansicht vertrat, dass CBD als Suchtstoff einzustufen ist – und daher nicht gleichzeitig ein neuartiges Lebensmittel sein könne.

Stapel von Anträgen

Dieser Standpunkt der EU-Kommission hat wiederum dazu geführt, dass sich bei der Kommission bisweilen schon rund 50 CBD-Anträge für die Zulassung als Novel Food stapeln, die auf eine Entscheidung warten. Mit der Klarstellung des EuGH, dass CBD nicht nur kein Suchtgift ist, sondern nach dem Stand der Wissenschaft keine schädliche Wirkung für die menschliche Gesundheit hat, wird die EU-Kommission sich wohl gezwungen sehen, zumindest einige der 50 Anträge auf Zulassung im Sinne der Antragssteller zu entscheiden.

Aber auch die vorsichtige Haltung der zuständigen Behörden wird wohl dem Biss in einen saftigen österreichischen CBD-Brownie bald nicht mehr im Wege stehen. (Francine Brogyányi, 23.11.2020)