Johanna Quaas am Barren.

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Mit 57 Jahren gab sie ihr Comeback. Mit 86 wurde sie berühmt. Nun, seit Freitag, ist Johanna Quaas 95 Jahre alt – und turnt "den Jungen" immer noch etwas vor. Diese Jungen haben 60 bis 80 Lenze auf den Buckeln, sind ihr Zielpublikum auf Youtube. Dort präsentiert die deutsche "Turn-Oma" regelmäßig Videos mit Gymnastik- und Dehnungsübungen. Ihre Follower werden mehr – und immer jünger. "Nicht nur für die Corona-Risikogruppen", sagt Quaas, "ist es wichtig, dass man schon am Morgen den Körper auf die Belastung des Alltags vorbereitet."

Videos von Johanna Quaas gehen seit 2012 viral.
Georgia

1934 hatte die Hallenserin ihren ersten Turn-Wettkampf bestritten, sie war neun Jahre alt. Zu einer großen Karriere im Sport reichte es – vorerst – nicht. Da Turnen von den Besatzungsmächten als vermeintliche "Wehrertüchtigung" verboten worden war, spielte sie zunächst Handball, 1947 stellte sie sich wieder an die Turngeräte – in der Hochschulsportgemeinschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dort schloss sie 1950 ihr Studium ab, danach bildete sie selbst Sportlehrer und -lehrerinnen aus und schrieb am Lehrbuch Gerätturnen mit. Sie wurde Berufsschullehrerin und Turntrainerin, betreute 1964 auch zwei Olympiateilnehmerinnen.

Als Mutter von drei Töchtern und Großmutter begann Quaas 1982 selbst wieder zu turnen, sie sammelte zunächst DDR-und später deutsche Seniorenmeistertitel, nahm ab 1990 an allen Deutschen Turnfesten teil. In der Szene genoss sie längst große Bekanntheit, als 2012 ihr erstes Video mit einer Barrenübung viral ging. Im selben Jahr trug sie sich als "älteste Turnerin der Welt" ins Guinness-Buch ein, es folgten Auftritte in zahlreichen TV-Talkshows, nicht nur bei Thomas Gottschalk, auch in den USA (Forever Young).

Seit wenigen Jahren bestreitet sie keine Wettkämpfe mehr, sie hatte sich die Bizepssehne im linken Arm gerissen, nicht etwa beim Turnen, sondern beim Hantieren mit dem Babystuhl einer Enkelin. "Der Nippel wollte einfach nicht durch die Lasche", sagte sie.

Als sie 2016 im Alter von 90 Jahren ihren ersten Fallschirmsprung – eh im Tandem – absolvierte, widmete sie den Sprung der britischen Queen, die (fast) gleich alt ist wie sie. Elizabeth II hatte sich beim Fallschirmsprung im James-Bond-Video zur Olympia-Eröffnung 2012 in London doubeln lassen, dennoch sagt Quaas, sie bewundere "die Lebensleistung der Queen". Das könnte auf Gegenseitigkeit beruhen. (Fritz Neumann, 23.11.2020)