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Ein Statement von Banksy gegen Überwachung.

Foto: AP

Schwere Körperverletzungen, Drogen, Raub, Diebstahl, Urkundenfälschung oder Zuhälterei: Bei der Aufklärung von Straftaten setzt die Polizei massiv auf ihre neue Gesichtserkennungssoftware. Zwischen Dezember des vergangenen Jahres und 1. Oktober dieses Jahres kam sie 931-mal zum Einsatz, um 1.343 verdächtige Personen zu überprüfen. Die Software kommt also mehrmals täglich zum Einsatz, wie aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits hervorgeht.

Unbekannte Täter, aber ...

In seiner Antwort bestätigt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch, dass die Gesichtserkennungssoftware "einmal zur Aufklärung einer gerichtlich strafbaren Tathandlung im Zusammenhang mit einer Kundgebung eingesetzt" wurde. Allerdings betont er, dass "der unbekannte Täter kein Versammlungsteilnehmer war". Eine Aussage, die allerdings im Widerspruch zu STANDARD-Recherchen und schriftlichen Stellungnahmen der Pressesprecher des Innenministeriums steht.

Im September berichtete der STANDARD darüber, dass die Software zum Einsatz kam, um linke Aktivisten auszuforschen, die an Demonstrationen Ende Juni und Anfang Juli in Wien-Favoriten teilgenommen hatten, die nach einem Angriff türkischer Nationalisten auf eine feministische Kundgebung stattgefunden hatten. Damals hieß es seitens des Innenministeriums auch, dass die Software vermutlich "eine Übereinstimmung" ergeben habe.

Keine Echtzeitüberwachung

Die Software gleicht Bilder von Überwachungskameras oder anderen Quellen mit Fotodatenbanken der Polizei ab. "Eine Echtzeitüberwachung ist mit der eingesetzten Software nicht möglich, nicht beabsichtigt und wäre rechtlich auch nicht gedeckt", so Nehammer. Auch betont er, dass es zu keinem Abgleich mit Fotos auf Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook kommt.

Die Basis für den Einsatz der Software sei das Sicherheitspolizeigesetz. Eine Ansicht, die von Datenschutzaktivisten nicht geteilt wird. Die Bürgerrechtsorganisation Epicenter Works sieht die "schleichende Einführung" der Technologie skeptisch. "Weil es keine explizite Rechtsgrundlage für Gesichtserkennung gibt", so die Aktivisten.

Kampagne gegen Gesichtserkennungssoftware

Grundsätzliche Kritik an Gesichtserkennungssoftware kommt vom deutschen Chaos Computer Club (CCC) und anderen Datenschutzorganisationen. Sie haben die europaweite Kampagne "Reclaim Your Face" gestartet. Ein deutliches "Zeichen gegen die Art und Weise, wie private Unternehmen und Regierungen mit neuen Technologien experimentieren und Bürgerinnen auf bloße Datenpunkte reduzieren", wie die Aktivisten betonen.

"Im Internet wird schon jetzt jeder unserer Schritte haargenau erfasst", kommentiert Linus Neumann, Sprecher des CCC. "Durch Gesichtserkennung und andere biometrische Überwachungstechnologien würde das auch in der Offline-Welt Realität. Diese Erfassung muss jetzt gestoppt werden." (Markus Sulzbacher, 23.11.2020)