Von der Praktikantin zur leitenden Redakteurin: Noch vor wenigen Monaten wäre Laura Stempfer eigentlich ein rasanter Aufstieg bevorgestanden. Nach ihrem Praktikum wurde die 24-Jährige Anfang des Jahres geringfügig bei einem Wiener Musikmagazin angestellt. Ab Herbst sollte sie als Karenzvertretung die Musikredaktion leiten.

Doch wegen der Coronavirus-Pandemie wurde sie im März gekündigt. Nun ist die Studentin auf Jobsuche, schreibt an ihrer Masterarbeit am Publizistik-Institut der Universität Wien und kellnert nebenbei. "Wir bieten Lieferservice an, daher wurde ich nicht rausgeworfen", sagt Stempfer.

So wie Laura Stempfer geht es momentan vielen jungen Menschen. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie führten bereits mit dem Lockdown im März zu einem schlagartigen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Besonders betroffen sind davon junge Menschen unter 25 Jahren. Unter ihnen war die Arbeitslosigkeit laut Arbeitsmarktservice (AMS) im März, April und Mai doppelt so hoch wie im Vorjahr.

Auch weil zum Beispiel mit der Gastronomie und dem Handel jene Branchen besonders betroffen sind, in denen viele Studierende jobben, um sich die Uni zu finanzieren.

Weniger offene Stellen

Gleichzeitig sank die Zahl der offenen Stellen im zweiten Quartal 2020 laut Statistik Austria um rund ein Drittel im Vergleich zum Vorjahresquartal. Im September verzeichnete das AMS ein Plus von 22,6 Prozent arbeitslosen 15- bis 24-Jährigen gegenüber dem Vorjahr. Im Oktober waren rund 61.000 Arbeitslose und Schulungsteilnehmer unter 25 Jahren beim AMS gemeldet. "Im Unterschied zur Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 sind momentan alle Branchen betroffen, da bleibt wenig Spielraum bei der Suche nach einem Nebenjob", sagt Julia Bock-Schappelwein, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo.

Das beobachtet auch Christian Harzl von der Studienplattform und Jobbörse Uni.at. Klassische Nebenjobs in den Bereichen Catering, Events und Promotion würden seit März fast nicht mehr ausgeschrieben. Verstärkten Bedarf gebe es stattdessen etwa im Bereich der Versandabwicklung und Logistik, Lieferdienste für die Gastronomie, aber auch bei der Unterstützung bei Covid-Testungen.

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Studierende sind derzeit im Distance-Learning, Nebenjobs finden im Homeoffice statt – sofern sie diese trotz Krise behalten konnten.
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Wissenschaftliche Dienstleistungen wie etwa die Mitarbeit an Studien könnten laut Bock-Schappelwein ebenfalls Studierendenjobs der Krise sein. "Kognitive Tätigkeiten sind ortsunabhängiger und funktionieren auch ohne direkten Kontakt im Team", sagt die Ökonomin.Die Studierenden können sie – oft flexibel – aus dem Homeoffice erledigen.

Lena Hochfellner hat so einen Job: Die 24-Jährige studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt und arbeitet als Online-Prüfungsaufsicht. Vor der Krise stand sie dafür in den Hörsälen der Uni Wien. Im virtuellen Prüfungsraum ist sie die Ansprechpartnerin bei technischen Problemen und korrigiert Abgaben.

Fehlende Praxiserfahrung

Auch ihre Schulpraxis im Sommersemester fand aus der Ferne statt. "Ich war kein einziges Mal in der Schule, führte Telefonate mit meiner Betreuungslehrerin und schrieb eine fiktive Unterrichtsplanung", erzählt die angehende Lehrerin.

Die fehlende Praxiserfahrung mit Schülern bereite ihr Sorgen, da Lehrpersonen direkt in den Unterrichtsalltag einsteigen, seit das Unterrichtspraktikum im Lehramtsstudium abgeschafft wurde. "Was wir an der Uni lernen, ist streckenweise sehr weit von der schulischen Realität entfernt", sagt die 24-Jährige. Im Sommersemester 2021 beginnt sie ihr Masterstudium, nebenbei möchte sie unterrichten. Den Berufseintritt stellt sie sich schwierig vor, da unklar ist, wie lange noch Distanzlehre an Schulen gehalten wird.

Für Berufseinsteiger sei die Lage laut Bock-Schappelwein deshalb aktuell schwierig, weil in vielen Unternehmen große Unsicherheit wegen ungewisser Auftragslagen und Kurzarbeit vorherrsche. Daher zögerten Unternehmen, junge Menschen einzustellen, und Homeoffice erschwere den Jobeinstieg von Absolventen zusätzlich. "Wie kann das Onboarding funktionieren, wenn Berufseinsteiger nicht ins Office kommen? Das ist für diejenigen schwierig, die ohne Vorerfahrung in einen Beruf eintreten", sagt Bock-Schappelwein. Aber auch die Kolleginnen und Kollegen über Videocalls oder interne Abläufe kennenzulernen, kann zu Hause allein vor dem Bildschirm zur Herausforderung werden.

Einen Job als Redakteurin hat auch Laura Stempfer noch nicht gefunden. Auf ihre Bewerbung bei einer Wiener Wochenzeitung erhielt sie die Antwort, 370 Personen hätten sich ebenfalls für die Stelle beworben. Um ihre Jobchancen zu erhöhen, schreibt sie unbezahlt für ein Onlinemagazin.

Finanzielle Unterstützung

Das kann sich nicht jeder und jede leisten: Neben dem Studium arbeiten junge Menschen oft geringfügig, haben daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und sind von der Kurzarbeit ausgenommen.

Zusätzlich zum Sozialfonds der einzelnen Hochschülerschaften, der Studierenden in Notlagen helfen kann, hat die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) daher im März einen Corona-Härtefonds eingerichtet. Durch ihn erhielten bisher 1100 Studierende finanzielle Unterstützung, sagt Marlene Kohlberger, Sozialreferentin der ÖH.

Den Fonds hat die ÖH-Bundesvertretung aus eigenen Mitteln finanziert. Deshalb, und auch weil die Studiengebühren im Sommersemester nicht erlassen wurden, wünsche man sich vom Wissenschaftsministerium "eine drastische Aufstockung des Budgets für den Sozialfonds", sagt Kohlberger. Vom Ministerium – das den Sozialfonds jährlich mit 85.000 Euro unterstützt – heißt es auf STANDARD-Anfrage, dass die Hochschülerschaft für das aktuelle Semester allerdings noch keine Erhöhung beantragt habe.

Zuversicht trotz Ungewissheit

Ein verzögerter Jobeinstieg wegen langer Phasen der Arbeitslosigkeit kann mitunter langfristige, negative Folgen auf das Berufsleben haben. Mitentscheidend dafür sei laut Bock-Schappelwein, ob junge Menschen einen Alternativweg einschlagen können. "Kann ich zum Beispiel einen Master dranhängen, auch wenn ich das nicht vorhatte?", fragt die Wifo-Ökonomin. Dass die Zahl der Studienanfänger im Wintersemester 2020/21 anstieg, könne daraufhin deuten, dass junge Menschen sich aufgrund schlechter Jobchancen weiterbilden wollen oder mangels Perspektiven an der Uni bleiben.

Mit Prognosen für die berufliche Zukunft der Jungen will Bock-Schappelwein aber vorsichtig sein, da das Ausmaß der Corona-Krise noch unbekannt sei. "Problematisch ist, dass wir schon das zweite Semester in Ungewissheit leben", sagt die Ökonomin. Wie junge Menschen durch die Krise kommen, hänge von ihrer persönlichen Lebenssituation und letztlich der Dauer der Krise ab.

Publizistik-Studentin Laura Stempfer sei derzeit "semioptimistisch". "Die Jobsuche frustriert mich, aber angesichts der Pandemie halte ich es aus, einmal ein Jahr durchzubeißen", sagt die Studentin. (Allegra Mercedes Pirker, 23.11.2020)