Acht Euro für Netflix, fünf Euro für Spotify, tausende Euro für das Studium. Das Corona-bedingte Distance-Learning an so mancher Uni zählt wohl zu den teuersten Digital-Abos aller Zeiten.

Mit der zweiten Corona-Welle und dem Start des Wintersemesters flammte die Debatte um Studiengebühren in Großbritannien erneut auf. Bereits im Frühjahr forderten Studierende mit einer Petition die Rückerstattung der Gebühren, weil die Universitäten ihre Angebote wegen der Corona-Pandemie großteils nur noch online anbieten. "Powerpoint-Präsentationen als Lernmaterialien sind nicht 9.250 Pfund pro Jahr wert", heißt es in der Petition. Dazu komme, dass die Unterkünfte an Unistandorten, für die viele Studierende im Voraus 4.000 bis 8.000 Pfund bezahlt hätten, wegen der Fernlehre nicht mehr nötig seien.

Bis September wurde die Petition von mehr als 350.000 Personen unterschrieben, Mitte November soll nun das Anliegen im britischen Unterhaus diskutiert werden. In einem Bericht schickte das Petitionskomitee des Parlaments voraus, dass Studierende ein Recht darauf hätten, eine Rückerstattung der Gebühren zu verlangen oder Kurse zu wiederholen, wenn das Onlineangebot mangelhaft gewesen sei. Eine Rückerstattung für alle sei aber nicht notwendig.

Schlechtere Ausbildung

"Wir sollten dafür, dass wir in Corona-Zeiten weniger unterrichtet werden und uns eine schlechtere Ausbildungsqualität geboten wird, auch weniger bezahlen", findet Hermione Marshall. Als englische Literaturstudentin zahlt sie in Schottland 9.250 Pfund Studiengebühren pro Jahr. Die aktuelle Debatte solle laut ihr aber nicht vom eigentlichen Problem ablenken: "Wir sollten für unsere Ausbildung grundsätzlich keine derart hohen Gebühren entrichten müssen, für die wir uns derzeit hoch verschulden."

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Das Corona-bedingte Distance-Learning mancher Unis zählt wohl zu den teuersten Digitalabos aller Zeiten. Britische Studierende fordern ihre Gebühren zurück.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Auch Lotte Hondebrink, die Philosophie in Cambridge studiert, ortet strukturelle Mängel im Bildungssystem: "Die hohen Studiengebühren sind ein Symptom der Einstellung der Regierung gegenüber höherer Bildung. Die Pandemie hat das Problem noch sichtbarer gemacht." Die Politik habe die Finanzierung der Unis in den vergangenen Jahren vernachlässigt, sagt Hondebrink. Die Krise sei aber eine gute Gelegenheit, die wichtige Rolle einer höheren Bildung für die Gesellschaft neu zu diskutieren.

Doch die Gebühren sind nicht per se Diskussionsthema: Wie der Guardian berichtete, bestätigten die Unis Nottingham, Manchester, Sheffield und Newcastle bisher jeweils mehr als 1.000 Covid-19-infizierte Studierende und Mitarbeiter. Andere Hochschulen veröffentlichten erst gar nicht ihre Zahlen.

Ermutigt, in Unistädte zurückzukehren

Laut Guardian hätten einige Unis gezögert, trotz des Gefahrenpotenzials auf Fernlehre umzustellen, damit sich Studierende nicht abmeldeten und weiterhin inskribiert blieben. Vermutlich deshalb, weil in den Weihnachtsferien vielerorts eine Frist für die Reduktion von Studienbeiträgen abläuft. In England etwa müssen Studierende, die im ersten von drei Trimestern abbrechen, nur 25 Prozent ihrer Gebühren bezahlen. Wenn sie die Uni erst nach Ende des ersten Trimesters – also nach den Winterferien – verlassen, wird die Hälfte des Gesamtbetrags fällig.

"Wir wurden geradezu ermutigt, in unsere Unistädte zurückzukehren. Und das, obwohl Experten klar davor gewarnt haben, dass die Bildungsinstitutionen Ausgangspunkte der zweiten Welle werden könnten", sagt Marshall. Das Problem liege am Finanzierungssystem: "Am Ende des Tages sind wir die wichtigste Einnahmequelle der Unis."

Ähnlich sieht das die Wienerin Nani Porenta, die auch in Edinburgh studiert: "Man hat uns hergeholt, weil die Unis sonst einen Riesenverlust an fehlenden Mieten in Studentenwohnheimen gemacht hätten." Der Semesterbeginn endete schließlich in Verunsicherung und Chaos, es kam zu Clustern in Heimen, erzählt die Musikstudentin. "Studierende mussten wochenlang in Quarantäne und wurden in dieser Zeit schlecht versorgt. Es schien, als hätte sich die Uni überhaupt nicht darauf vorbereitet", sagt Porenta.

Debatte auch in Österreich

Auch hierzulande forderte die Österreichische Hochschülerschaft, die Gebühren rückzuerstatten. Das Wissenschaftsministerium lehnte mit der Begründung ab, dass es sehr wohl ein ausreichendes Lehrangebot gegeben habe. Für das Wintersemester sieht Minister Heinz Faßmann (ÖVP) aufgrund der Vorhersehbarkeit "keinen weiteren Handlungsbedarf" bei Beihilfen und -gebühren.

An den Privatunis stellten etwa die Studierendenvertretungen der Sigmund-Freud- und der Karl-Landsteiner-Privatuni ebenfalls entsprechende Forderungen. Zu Gebührenreduktionen kam es bisher nicht. Wegen des neuen Lockdowns wolle man es an der Karl-Landsteiner-Privatuni nochmals versuchen, heißt es von der dortigen ÖH.

Laut Christina Badelt, Sprecherin der Privatuni-Konferenz, erfordere die Umstellung auf digitale Lehre einen erheblich größeren Anschaffungs-, Personal- und Schulungsaufwand als das analoge Studium: "Der Glaube, dass Fernlehre grundsätzlich weniger kostet, entspricht einfach nicht den Tatsachen." (Jakob Pflügl, 25.11.2020)