Wiener Symphoniker im Stephansdom.

Wien Modern

Auch Komponieren schützt nicht vor Prüfungen, welche einem dieser grotesken Tage auferlegt werden. Keine Ausnahme also für Klaus Lang – gottlob aber besteht er den Test: Nach negativem Covid-Bescheid (15-Minuten-Prozedur) darf auch der Grazer den Stephansdom betreten und (we die Kritiker und Kritikerinnen) der Wien-Modern-Uraufführung seines für den gotischen Raum ersonnenen Werkes beiwohnen.

Langs Tönendes Licht für Orgel und räumlich verteiltes Orchester ist eine raffinierte Meditation über das Phänomen Klang. Bisweilen als Dialog zwischen den Wiener Symphonikern und Organist Wolfgang Kogert angelegt, setzt es mit sanftem Streichersound an und entwickelt sich zum kontemplativ dahingleitenden Strukturraum.

In dessen Inneren werden gewissermaßen in Zeitlupe Klangstrahlen einem Prozess der steten Umgruppierung unterzogen. Innerhalb des Werkraums herrscht Metamorphose-Stimmung; immer wieder bilden sich neue farblich divergierende Skulpturen heraus.

Es ist dabei ein atmosphärisch zugängliches harmonisches Nebeneinander ebenso wahrzunehmen wie ein Näherrücken der Töne im Sinne harmonischer Verschärfung und Reibung.

Episoden für Orgel

Lang begnügt sich nicht mit Demonstrationen (natürlich sehr wohl vorhandener) orchestraler Schönheit, die Dirigent Peter Rundel (in der Mitte des Doms stehend) akkurat organisiert. Ohne den Eindruck eines sanft dahinschwebenden Gebildes aufzugeben, lässt Lang mittels Harfen, perkussivem Grummeln und solistischen Orgelepisoden Kontraste und musikfigurative Bewegtheit einfließen: Da sind Zäsuren, Momente des Aufbrausens, kurze melodische Orgelpartikel. In solchen Momenten aufflackernder Dynamik fliegt dann bisweilen plötzlich ein Klangstern friedvoll vorbei.

Grundsätzlich herrscht denn auch die Empfindung von Weite und verlangsamter Zeit; dem Klang gibt dies Entfaltungsmöglichkeit. Damit ist es aber auch ein Werk der Paradoxie: Es wirkt wie ein raffiniert bewegter Stillstand, in dem mächtigen Akkorden glockenhafte Rufzeichen folgen und Echowirkungen zum Finale hinführen. Schließlich wandert Organist Wolfgang Kogert motivisch in höhere Regionen des Instruments, nach und nach entmaterialisiert sich Tönendes Licht, entschwebt.

Wer dabei war, wünscht dem Werk Aufführungen unter Vor-Corona-Bedingungen. Dass es in gestreamter Form erscheint, ist zwar schön. Dass es seine regenbogenartige Pracht entfalten wird, scheint jedoch schwer vorstellbar. (Ljubiša Tošic, 21.11.2020)