Die Akte Dr. L. wird nun Thema im Parlament

Foto: Elmar Gubisch/derstandard

Wien – Der Fall um den Landarzt Dr. L., dem seine Kinder Quälen über einen Zeitraum von 15 Jahren vorwerfen, kommt nicht zur Ruhe. Nach dem umstrittenen Freispruch des Arztes fand im März 2020 die Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht Graz statt. Diesmal wurde er zwar nicht freigesprochen, doch sorgte auch das milde Urteil, 1920 Euro Geldstrafe und vier Monate bedingte Haft, für Kopfschütteln in Fachkreisen.

Mildes Urteil

Obwohl Richter Oliver Graf den heute erwachsenen Kindern viele Vorwürfe geglaubt hatte und der Angeklagte schon im ersten Prozess auch vieles zugegeben hatte, wurde er vom Vorwurf der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen freigesprochen. Wie DER STANDARD berichtete, hatte der Arzt sich etwa absichtlich einen Schraubenzieher in den Bauch gerammt und die Kinder gezwungen, diesen zu entfernen. Zudem habe er sie zum Teil schon als Kleinkinder ermuntert, verschiedene Suchtmittel zu konsumieren, und sie dabei gefilmt. Der Arzt ist der Bruder eines einflussreichen Politikers. Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Ruth Becher brachte nun eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ein, in der sie Aufklärung fordert. Etwa zum Suchtverhalten des Arztes selbst oder zu belastenden Zeugenaussagen, die von Staatsanwalt und Richter nicht gewürdigt wurden.

Ungelöste Todesfälle

Dazu kommen ungelöste Todesfälle im Umfeld von L.: Ein Nachbar und Patient wurde mit einer Waffe, die L. gehörte, getötet. Ein junger Ex-Patient hatte den Arzt beschuldigt, ihn drogenabhängig gemacht zu haben. Privatbeteiligtenvertreter wollten ihn als Zeugen beantragen, doch er verstarb kurz vor der Hauptverhandlung. Becher will wissen, ob sein Leichnam je obduziert wurde. Auch die Ermordung eines Juweliers, der ein Schulfreund von L. war und zu dem L. kurz vor seinem Tod wieder Kontakt aufgenommen habe, wird von Becher hinterfragt. (Colette M. Schmidt, 23.11.2020)