Corona-Krise und Arbeitslosigkeit dezimieren die Einnahmen der Wirtschaftskammer, die Wirtschaftshilfen helfen indirekt auch der Kammer.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Während die Corona-Krise an der Einnahmenbasis der Wirtschaftskammern knabbert und die Kammerumlagen nur gestundet wurden, nicht aber erlassen, bekommt die Mineralölbranche erneut Rabatt. Das am Mittwoch tagende sogenannte erweiterte Präsidium der Wirtschaftskammer Österreich wird beschließen, dass bei Mitgliedern des Fachverbands Mineralölindustrie bei der Berechnung der Kammerumlagen jene Umsatzsteuerbeträge nicht in die Bemessungsgrundlage für die Umlage fallen, die auf die Mineralölsteuer als Entgeltbestandteile entfallen.

Darüber hinaus wird die Bemessungsgrundlage der Kammerumlage 1 (KU1) in Bezug auf Umsätze aus dem Mineralölhandel um 25 Prozent gekürzt. Das erfuhr DER STANDARD von mit der Materie vertrauten Kämmerern. Begründet wird die Verlängerung der seit dem Jahr 2002 gewährten KU1-Reduktion einmal mehr mit massiven Preisschwankungen bei Rohöl und Mineralölprodukten und der unverändert angespannten Margensituation beim Verkauf von Mineralölprodukten in Österreich. Beides würde eine unverhältnismäßige Belastung für die Mineralölhandelsunternehmen bzw. Tankstellen ergeben, heißt es im Antrag an das WKO-Präsidium. Es handele sich lediglich um die Verlängerung einer seit 18 Jahren bestehenden Regelung und bedeute keine Veränderung für das laufende WKO-Budget, rechtfertigt man den Rabatt in der Wirtschaftskammer Österreich.

Margen im Keller

Legitimiert wird die im Lichte des Klimaschutzes fragwürdige Senkung mit dem Wirtschaftskammergesetz. Selbiges sehe vor, dass die Verhältnismäßigkeit auch am Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen ist. Gemäß den Berichten von Wood Mackenzie über die Bruttotankstellenmargen lägen die heimischen Tankstellenmargen deutlich im untersten Viertel. Im Vorjahr gab es demnach nur ein Land bzw. drei von insgesamt 16 untersuchten Ländern, die eine geringere Bruttotankstellenmarge aufwiesen. Jene in Norwegen, der Schweiz und den Niederlanden waren teils mehr als doppelt so hoch.

Da von den Bruttomargen Transportkosten, Investitionen, Betrieb, Instandhaltung und Pächterprovision abzuführen sind, bliebe den Mineralölfirmen aufs Jahr gerechnet im Schnitt weniger als ein Cent pro verkauften Liter Kraftstoff. In der Folge würde das Tankstellennetz weiter ausgedünnt. Und: Die von der Regierung forcierte Dekarbonisierung der Wirtschaft samt Ausstieg aus Ölheizungen bringe die Branche inklusive der OMV-Raffinerie in Schwechat zusätzlich unter Druck.

Gegen Dekarbonisierung

"Der Schutzschirm, den die Kammer über die Mineralölbranche spannt, weil die Klimaneutralität zu einer Reduktion der fossilen Produkte führt, ist politisch unverantwortlich", kritisiert die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, die neuerliche Verlängerung. Auch stelle sich die Frage nach der Angemessenheit der Preiskalkulationen, denn in den genannten Ländern sei Treibstoff durch die Bank erheblich teurer als in Österreich, wo der Tanktourismus staatlich gefördert werde.

Krise nagt an Kammereinnahmen

Wie sehr die Corona-Krise die Einnahmen der Wirtschaftskammer insgesamt erodieren lässt, war in der Kammer am Montag nicht in Erfahrung zu bringen. Die Arbeitslosigkeit steigt im Winter, die Zahl der Arbeitslosen wird jenseits einer halben Million erwartet.

Die Einnahmen aus umsatzabhängiger KU1 und lohnsummenabhängiger KU2 werden gemäß Voranschlag 2021 um rund 14 Millionen Euro niedriger angenommen. Der Mindererlös soll großteils durch Einsparungen wettgemacht werden. Unterm Strich steht im Budgetentwurf dennoch ein Minus von rund 29 Millionen Euro – auch, weil Werbe- und Repräsentationsaufwand sowie Förderungsbeiträge und Zuschüsse höher dotiert sind als in den vergangenen Jahren. Der spürbare Rückgang der Kammerumlagen einerseits und verstärkte Maßnahmen für unsere Mitglieder zur Bewältigung der Corona-Krise andererseits würden sich natürlich auf den Voranschlag 2021 auswirken, teilt eine Sprecherin mit. Stundungen von KU1 und KU2 können – analog zu den Steuerstundungen – von Steuerpflichtigen weiterhin beantragt werden.

Eingeschränkte Öffentlichkeit

Dem Wirtschaftsparlament legen Bundeswirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) und sein Generalsekretär Karlheinz Kopf das Budget übrigens entgegen den Bestimmungen des Kammergesetzes nicht vor. "Aufgrund der aktuellen COVID-19-Situation kann das Ende November geplante Wirtschaftsparlament der WKÖ nicht stattfinden", heißt es zur Begründung.

Die im Kammergesetz vorgesehene Öffentlichkeit wird nicht via Telekonferenz gesucht, sondern auf das sechsköpfige Präsidium rund um Mahrer, die Landeskammerpräsidenten und die Obmänner der Bundessparten beschränkt. Über die Ausgaben im Jahr 2021 befindet – erraten – das erweiterte Präsidium. (Luise Ungerboeck, 24.11.2020)