Kontrollen an der ungarischen Grenze. Im Sommer ließen sich zwischenzeitlich ein Drittel der Corona-Infektionen auf einen Auslandsbezug zurückführen.

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Im Osten wie im Westen sind sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Tausende Ungarn, Slowaken, Rumänen, Polen, Slowenen und Deutsche arbeiten in Österreich, obwohl sie ihren Wohnsitz weiter in ihrem Heimatland haben. Die Pendler sind in der Gastronomie und Hotellerie tätig, am Bau, in der Industrie, im Gesundheitswesen. Viele sind im Handel beschäftigt.

Angesichts der anstehenden Massentestungen ist diese Gruppe eine besondere Herausforderung. Aktuell arbeiten rund 116.000 Menschen mit einem ausländischen Wohnsitz in Österreich als unselbstständig Beschäftigte. Hinzu kommen noch die Pflegerinnen. Derzeit sind 62.000 Menschen als Selbstständige in der Personenbetreuung tätig, mehr als 80 Prozent kommen aus Rumänien, der Slowakei und Ungarn.

Für diese Gruppe der Pendler sind Massentests weitgehend wirkungslos. Noch fehlen viele Details zum Projekt. Aber ein großer Teil der Pendler dürfte bei den Tests am Wochenende nicht erfasst werden, so viel ist absehbar. Die Menschen pendeln auch in Länder, in denen solche Tests gar nicht oder nicht vor kurzem stattgefunden haben. Während das Gesundheitspersonal regelmäßig getestet wird, also bei Pflegerinnen das Problem entschärft werden kann, ist das bei Handelsangestellten, Kellnern und Fliesenlegern nicht der Fall.

Abschottung ist auch keine Möglichkeit, weil die Pendler dafür wirtschaftlich zu bedeutend sind. Das sieht man auch am Beispiel Slowakei, wo ebenso Massentests durchgeführt worden sind. Dort wurden zwar rigorose Einreisebeschränkungen auferlegt. Wer ins Land will, muss einen negativen Corona-Test vorlegen oder in Quarantäne. Das gilt aber nicht für Menschen, die zur Arbeit in Nachbarländer pendeln. Tägliche Tests an den Grenzen mit Wartezeiten lassen sich für diese Gruppe nicht durchführen.

Große und kleine Probleme

Aber beeinflussen nun Einpendler die Wirkung der Massentests?

Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka sagt, dass durch die Verflechtung Österreichs mit seinen Nachbarn eine Auslöschung von Corona, selbst auf kurze Zeit, wie dies zum Beispiel in Neuseeland gelungen sei, nicht möglich sein werde.

Menschen bei jeder Einreise zu testen, wie das manche Inselstaaten tun, sei in Europa nicht praktikabel. Allerdings sagt Czypionka, dass die Auslöschung von Corona ohnehin nicht Ziel der Tests sei. Er sieht das Projekt aus einem anderen Grund kritisch: Massentests seien sinnvoll, um Lockdowns zu verhindern, also bei steigenden Fallzahlen. Auch nach dem Ende des Lockdowns am 6. Dezember dürften die Corona-Fallzahlen sinken – Lockdowns wirken nach. In dieser Situation sei die Kontaktnachverfolgung das beste Instrument, nicht ressourcenaufwendige Massentests, so Czypionka. Allenfalls wären diese sinnvoll, um Erfahrungswerte zu gewinnen.

Der Epidemiologe und Public-Health-Experte Gerald Gartlehner ist noch kritischer. Dass eine Gruppe von 100.000 Menschen nicht getestet wird, sei das kleinere Problem: "Wenn sich die Hälfte der Österreicher testen lassen, würden noch 4,5 Millionen fehlen." Somit bleibe ohnehin ein großer Teil des Infektionsgeschehens unentdeckt.

Gartlehner sieht die Massentests vor allem wegen der Ressourcen kritisch: Rund zwei Prozent der Schnelltests sind falsch positiv und erfordern eine klassische PCR-Nachtestung. Bei fünf Millionen Getesteten ergibt das 100.000 falsch positive Tests. Diese alle nachzuprüfen würde die Testkapazitäten völlig überfordern, so Gartlehner.

Die Slowakei fordert Tests bei der Einreise in das Land, nimmt aber Berufspendler bewusst von dieser Regelung aus. (András Szigetvari, 24.11.2020)