Mehr als die Rollläden zu putzen, bleibt vielen Händlern derzeit nicht übrig.

Foto: APA

Wien – Alexander Martin fühlt sich im Regen stehen gelassen. 49 Filialen führt der Reformhändler. Trotz des Lockdowns darf er alle offen halten. Allein es fehlt ihm aufgrund der wenigen Kunden der halbe Umsatz. Hilfe vom Staat habe er schon im Frühjahr keine erhalten, auch jetzt rechnet er nicht damit.

Fair findet er das nicht. "Meine 300 Mitarbeiter halten den Kopf hin, wir werden in der Krise unverschuldet zu Bittstellern degradiert." All seine Versuche, die Politik auf die prekäre Situation hinzuweisen, die nicht nur ihn, sondern auch andere sogenannte Systemerhalter betreffe, seien ins Leere gegangen. "Ich verstehe nicht, warum bei den Förderungen nicht besser differenziert wird."

Eine Woche ist er her, seit weite Teile des Handels in Österreich über Nacht bis in den Dezember hinein stillgelegt wurden. Seit gestern können vom Lockdown betroffene Betriebe über das Portal Finanz Online staatliche Unterstützung beantragen.

Großzügig, passgenau, rasch soll sie sein und dafür sorgen, die wirtschaftliche Vielfalt zu erhalten, verspricht Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen. Von üppigen Förderungen wie für die Gastronomie kann der Handel zwar nur träumen. Einiges Geld wird dennoch fließen. Ob dieses im Detail richtig bemessen ist – darüber ist die Branche gespalten.

Viel Geld für Modehandel, wenig für Möbelhäuser

Erste Säule der Hilfe ist gestaffelter Umsatzersatz für geschlossene Unternehmen. Kriterien für seine Höhe sind der Rohertrag einer Branche, Aufholeffekte nach dem Lockdown und Verderblichkeit der Ware. Körpernahe Dienstleister, also etwa Friseure und Masseure, bekommen 80 Prozent des Umsatzes im Vergleich zum November 2019 ersetzt.

60 Prozent gibt es für Floristen. Mode- und Schuhhändler hätten sich mit einer Kompensation von 40 Prozent begnügen müssen. Nach Druck aus der Branche erhöhte die Regierung die Quote auch für sie auf 60 Prozent. Baumärkte, Buch- und Sportartikelhändler erhalten 40 Prozent ihres Umsatzverlusts abgefedert. Mit 20 Prozent dürfen Möbelhäuser, Elektro- und Kfz-Händler rechnen.

Mehr Spielraum für Abgeltung der Fixkosten

Ab Montagnachmittag kann online auch der sogenannte Fixkostenzuschuss 2 beantragt werden. Gedeckelt mit 800.000 Euro, wird er in zwei Tranchen ausbezahlt. Anders als sein Vorgänger ist er breiter gefasst. Leasingraten etwa und Personalkosten für einen Mindestbetrieb werden ebenso berücksichtigt wie Aufwendungen, die vor 16. März getätigt wurden. Letzteres soll Reisebüros und Veranstaltern ihre Vorleistungen anteilig ersetzen.

Abgegolten werden die Fixkosten linear ab einem Geschäftsverlust im Ausmaß von 30 Prozent: Wer 45 Prozent einbüßte, erhält also 45 Prozent ersetzt. Statt wie bisher für drei Monate kann dieser Ausgleich nun für einen Zeitraum von 9,5 Monaten von September bis Juni angefordert werden.

Kleinbetriebe mit weniger als 120.000 Euro Umsatz im Jahr dürfen Pauschalierung ohne Steuerberater geltend machen. Deutlich eingeschränkt sind Dividenden und Managerboni. Hilfen wie etwa Garantien müssen abgezogen werden. Die Kombination von Umsatzersatz und Fixkostenzuschuss ist nur für unterschiedliche Zeiträume erlaubt.

Höherer Ausgleich für Verluste ab Dezember

Ab Dezember können Unternehmer dazu alternierend Zuschüsse von bis zu drei Millionen Euro erhalten, sofern ihre Gewinne nicht von Fixkosten gedeckt sind. Der Staat ersetzt bis zu 70 Prozent dieser Kosten. Der Nachteil: Eine Pauschalierung ist nicht möglich. Neben dem Umsatz müssen auch die Verluste prognostiziert werden. Ein Steuerberater ist jedenfalls unentbehrlich.

Staatliche Hilfe verspricht VP-Finanzminister Gernot Blümel zudem Betrieben, die vom Lockdown stark, aber nur indirekt betroffen sind, wie Lieferanten für die Gastronomie. Viele Lebensmittelhersteller etwa und Großhändler sehen sich härter denn je in der Bredouille. In der Nahrungsmittelindustrie ist von Umsatzrückgängen zwischen 20 und 60 Prozent die Rede. Auch im Gewerbe, von Bäckern bis zu Fleischern, ist Schmalkost angesagt.

Die Sache sei komplexer, betont Blümel, es bedürfe daher noch Zeit. Kompensation werde es aber auch im Bereich der Vorlieranten geben.

Offene Baustellen

Rainer Trefelik, Handelsobmann der Wirtschaftskammer, nennt die Hilfen wie die Differenzierung vernünftig und sachlich nachvollziehbar. "Was wäre denn die Alternative gewesen?" Klar gehe immer mehr. Entscheidend sei aber, dass rasch Liquidität in Betriebe gespült werde.

Lösungen braucht es aus seiner Sicht noch für Händler wie Reformhäuser oder Süßwarenanbieter, die zwar aufsperren dürfen, dennoch erheblich Umsatz einbüßen. Handelsverbandschef Rainer Will hofft, dass hier Fixkostenzuschüsse und Verlustausgleich zum Tragen kommen. Er selbst hatte quer durch alle Branchen auf eine Umsatzkompensation von 80 Prozent gepocht.

Kräftemessen um Sortimente

Viel Zündstoff bergen nach wie vor Sortimentseinschränkungen, an die sich viele Supermärkte und Drogerieriesen schlichtweg nicht halten. Dem Vernehmen nach will die Regierung diese Verordnung daher noch schärfer präzisieren. Ein Ende der juristischen Schlammschlachten ist nicht in Sicht. (Verena Kainrath, 23.11.2020)