Wien – Dienstag konstituiert sich der neue Wiener Gemeinderat samt Regierungserklärung von Bürgermeister Michael Ludwig zur Koalition mit den Neos. Das Koalitionsübereinkommen hat für Medien einige recht deutliche Ankündigungen. Die wichtigsten Passagen im Wortlaut liefert derStandard.at/Etat zum rosa-roten Koalitionsstart.
"Aspekte der journalistichen Qualität"
Die Medienpassage verspricht recht programmatisch im Zwischentitel: "Medienvielfalt und Qualität fördern und fordern". SPÖ und Neos betonen grundsätzlich die "demokratiepolitisch wichtige Funktion" der Medien. Die Stadtregierung stehe ein für die Grundprinzipien und Grundrechte der "Absicherung von unabhängiger Berichterstattung und das Recht auf freie Meinungsäußerung".
Die rosa-rote Stadt "bemüht sich um ein konvergentes, cross-mediales Verständnis der Informationsarbeit. Anspruch der Stadt Wien ist es, zielgerichtet und effizient zu informieren sowie optimal zu kommunizieren. Dabei fließen neben brancheneinschlägigen Kriterien auch Aspekte der journalistischen Qualität in die Entscheidungsfindung mit ein."
"Deshalb vereinbaren wir" leitet auch hier die konkreteren Vorhaben ein – im Wortlaut, Zwischentitel und Anmerkungen von der Redaktion eingefügt.
"Bevorzugt journalistische Sorgfalt" bei Inseraten
Wien (auch ohne stadteigene Firmen und Institutionen gerechnet) meldet laut Medientransparenz-Daten seit 2012 fast jedes Quartal die höchsten Werbebuchungen – nur von April bis Juni 2020 investierte das Bundeskanzleramt vor allem mit der Corona-Kampagne "Schau auf Dich..." mit rund 6,7 Millionen Euro mehr als die Hauptstadt. In den vier Quartalen seit Juli 2019 meldete die Stadt Werbung im Wert von 21,6 Millionen Euro. Die höchsten Budgets gingen an "Heute", "Kronen Zeitung" und "Österreich/Oe24".
"Medieninitiative"-Förderung fortsetzen
Die Wiener Medieninitiative fördert seit dem Frühjahr 2020 über vorerst drei Jahre journalistische Projekte und Innovationen im Medienbereich mit insgesamt 7,5 Millionen Euro. Mehr über die erste Vergabe 2020 unter diesem Link.
Kommunikationsarbeit: "Großer Wert auf Qualität und sorgfältigen Journalismus"
Jahresbericht zur Werbung und Kommunikation der Stadt ab 2021
Bekenntnis zu Community TV, freiem Radio – mit "Evaluierung"
Die Stadt bekennt sich in dem Koalitionsabkommen sehr deutlich (Betroffene sagen: so deutlich wie noch nie) zu Community-Medien. Zugleich kündigt die rosa-rote Stadt eine "Evaluierung" der Förderung an. Rund 1,3 Millionen Euro gingen in den vergangenen Jahren an Okto und Orange, die Förderung für Okto wurde 2020 von einer Million auf 750.000 Euro reduziert – nach Angriffen und Anzeigen der FPÖ.
Filmförderung und Studio-Infrastruktur
Filmschaffende fordern seit langem mehr Unterstützung von Bund und Land – etwa hier.
Medien abseits der Medienpassage
Im Koalitionsübereinkommen zwischen SPÖ und Neos findet sich auch abseits dieser Passage womöglich Medienrelevantes (weitere Hinweise gern):
- Die rot-pinke Koalition nimmt sich – weil "unerlässlich" für das Ziel einer "Forschungs- und Wissenschaftsmetropole" – einen "verstärkten Fokus auf Wissenschaftskommunikation" vor: "Unser grundsätzlicher Anspruch ist es, Menschen zur Wissenschaft zu führen. Wissenschaft soll noch stärker als Teil der Gesellschaft etabliert werden." Dafür arbeite man etwa an Konzepten "für zeitgemäße Zentren für Wissenschaftskommunikation, die als Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Bildung fungieren".
- "Auch die Filmproduktion in Wien muss ressourcenschonend und nachhaltig möglich sein. Dafür werden Förderungen an klimarelevante Anforderungen angepasst und damit Rahmenbedingungen wie auch Richtlinien für green producing geschaffen."
- SPÖ und Neos wollen auch im Kulturkapitel "den Filmstandort Wien weiterentwickeln. Durch eine gezielte Filmförderstrategie beleben wir konsequent die heimische Filmwirtschaft. Die Schaffung und Neuimplementierung von Filmstudios soll Wien für internationale Produktionen attraktiver machen."
- "Das neukonzipierte Medienkunstfestival soll unterschiedliche Zugänge und Perspektiven der Medienkunst eröffnen und in den nächsten Jahren auch internationale Strahlkraft für den Standort entwickeln."
- Die Koalitionsvereinbarung bekennt sich zu Open Government Data (Wien sei da schon führend) und kündigt ein "zentrales Statistikportal" an, "das Informationen noch moderner darstellen kann".
- Digitale Kompetenz – auch bei der Unterscheidung "zwischen Desinformation und Information". Das Koalitionsabkommen nennt hier als Ziele: "Digitaler Schutz – die Fähigkeit, Online-Risiken zu vermeiden (z.B. Cybermobbing) bzw. zu begrenzen und mit problematischen Inhalten richtig umzugehen. Digitale Sicherheit – die Fähigkeit Cyber-Bedrohungen (z.B. malware) zu erkennen, deren Methoden zu verstehen und passende Sicherheitsmaßnahmen einzusetzen, um Schaden zu minimieren. Digitale emotionale Intelligenz – die Fähigkeit einfühlsam zu sein und gute Beziehungen mit anderen Online-Teilnehmer_innen aufzubauen und diese auch 'offline' zu pflegen." Dazu soll es etwa Förderung in der Erwachsenenbildung und an Volkshochschulen geben, Materialien...
- Weg vom Amtsgeheimnis Im rot-pinken Abkommen heißt es: "Österreich braucht einen Paradigmenwechsel in der Informationspolitik: Weg vom Amtsgeheimnis, hin zum Grundrecht der Bürger_innen auf Information. Bei diesem wichtigen Schritt ist der Verfassungsgesetzgeber am Zug. Aber auch bis dieser Schritt vollzogen ist, werden wir eine Reihe von Maßnahmen setzen, die für ein Mehr an Transparenz in Wien sorgen werden." Förderungen und Besetzungen würden etwa mit "neuen Standards" etwa transparent(er), Entscheidungskriterien nachvollziehbar, Förderrichtlinien und Förderberichte veröffentlicht.
- Info-Freiheit Das Wiener Auskunftspflichtgesetz werde "möglichst" maschinenlesbar Auskünfte "ohne Aufschub", aber jedenfalls binnen vier Wochen vorsehen (bei "hoher Komplexität" sechs). "Darüber hinaus erklärt die neue Wiener Stadtregierung ihre Unterstützung zur Bestrebung der Abschaffung des Amtsgeheimnisses sowie der Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes durch die Bundesregierung." Tritt das Gesetz in Kraft, werde Wien eine Informationsfreiheits-Ombudsperson einsetzen zur Beratung und Schlichtung. Nicht sehr wild entschlossen zur Offenheit klingt der Satz: "In einer parlamentarischen Enquete werden die Themen Recht der Öffentlichkeit auf den Zugang zu Informationen und Herausforderungen im Übergang vom Amtsgeheimnis zur Informationsfreiheit besprochen und Maßnahmen abgeleitet."
- Wahlkampfkosten Die Obergrenze wird (von bisher sechs) auf fünf Millionen Euro gesenkt.
(fid, 24.11.2020)