Ihretwegen durchlebten Pubertierende unruhige Nächte: Stepháne Audran, hier an der Seite von Michel Bouquet in dem Film "Die untreue Frau" (I/F, 1969).

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Mit jedem Lockdown, den die Bundesregierung neu verhängt, schmilzt unweigerlich die Zahl unserer Vorhaben. Menschen, die im März noch lebhaft die Absicht bekundeten, Farsi zu erlernen oder ein Schiffsmodell zusammenzuleimen ("Die Bismarck, Hitlers gepanzerter Stolz!"), schließen nunmehr Frieden mit der eigenen Passivität.

Unaufhörlich wächst die Zahl der Stunden vor dem Fernseher. Hoch an der Zeit, auf Netflix zu pfeifen. Filmfreunde mit Gewissen laben sich an ihren sündteuren "Arthaus"-DVD-Kollektionen, die sie in pandemielosen Zeiten wie Nüsschen im Keller gehortet haben.

Nehmen wir die Komödien des "Nouvelle-Vague"-Veteranen Éric Rohmer (1920–2010) her. In dessen zutiefst frivolen Filmen erzählt jeweils ein Mann mit zweifelhaftem Haarschnitt einer sündhaft gutaussehenden Frau, dass er einer anderen, nicht minder attraktiven Frau unbedingt beizuwohnen wünscht. Womöglich schützt er dieses Interesse bloß vor. In Wahrheit ist es nämlich die Zuhörerin, die er für die Abhaltung eines Schäferstündchens gewinnen will! Der Betrachter solcher Scharmützel schläft anschließend gesund wie ein Bär. Eineinhalb Stunden Lockdowns? Sind wie im Flug vergangen.

Und so muss ich Babyboomer einige Vorurteile aus der Ära Kreisky revidieren. Damals liefen unentwegt Meisterwerke aus Frankreich im ORF: mit Nathalie Baye, Fanny Ardant oder Stepháne Audran, unfassbar schöne Frauen in sehr, sehr kurzen Röcken. Mir Pubertierendem gefiel das maßlos gut. Erst heute beginne ich zu verstehen, warum meine Eltern vor der Glotze wie die Murmeltiere schlummerten. (Ronald Pohl, 25.11.2020)