Bei der ersten Wahl des Rektors entscheiden die Senate mit, bei der ersten Wiederwahl werden sie übergangen.

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In den kommenden Tagen will die türkis-grüne Koalition eine Novelle des Universitätengesetzes (UG) in die Begutachtung schicken. Die letzten Details werden noch verhandelt, in manchen Bereichen hat man sich bereits geeinigt.

Was auf jeden Fall im türkis-grünen Gesetzesentwurf stehen wird, ist ein Verlust des Stimmrechts der Senate bei der ersten Wiederbestellung von Rektoren. Das bestätigte die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger im Gespräch mit dem STANDARD. Bisher brauchte ein Rektor für eine neuerliche (vierjährige) Amtszeit sowohl eine Zweidrittelmehrheit im Universitätsrat als auch eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Letztere soll bei der ersten Wiederwahl künftig entfallen, der Senat wird nur mehr "angehört" und erleidet somit einen Machtverlust. Bei der zweiten Wiederwahl, also nach insgesamt acht Jahren, soll der Senat dann aber wieder zustimmen müssen – wie bisher gehabt.

Aufwertung der Uni-Räte

Im Senat sitzen zur Hälfte Professoren und zu je rund einem Viertel Vertreter der Studierenden und des akademischen Mittelbaus. Dazu kommt ein Vertreter des allgemeinen Universitätspersonals. Um bei einer Wiederwahl die Zweidrittelmehrheit im Senat zu bekommen, muss ein Rektor derzeit also die Interessen verschiedenster Gruppen berücksichtigen. Wer mehrere Stakeholder im Senat gegen sich aufbringt, hat schlechte Chancen auf eine weitere Bestellung. Mit der UG-Novelle soll sich das ändern, eine Zweidrittelmehrheit im Universitätsrat würde bei der ersten Verlängerung reichen.

Warnungen vor mehr Einfluss der Regierung

Die Uni-Räte werden zur Hälfte von der Bundesregierung beschickt, und zwar alle auf einmal für eine Amtszeit von fünf Jahren. Zuletzt sorgten 2018 die türkis-blauen Bestellungen für Querelen, zumal die FPÖ reihenweise rechte Burschenschafter entsenden wollte. Die ÖVP nominierte etwa die "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand in den Uni-Rat der Med-Uni Wien, Ex-Rewe-Vorstand Werner Wutscher in den Rat der Uni Klagenfurt und den damaligen IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren für die Uni Graz.

Die andere Hälfte der Uni-Räte wird durch den Senat beschickt, der auf diesem Wege für die Rektorswiederwahl nicht gänzlich entmachtet wird. Die Empörung bei den Senaten ist dennoch groß. Die Senatsvorsitzenden aller 22 öffentlichen Unis wenden sich gegen den Plan. Es sei unverständlich, den durch "demokratische Wahlen legitimierten Senat" bei Rektorswahlen auszuhebeln und den politischen Einfluss der Regierung via Uni-Rat aufzufetten. Die in den Senaten verankerte ÖH befürchtet einen "inneruniversitären Demokratieverlust".

Rektoren werden stärker

Thomas König, Experte für Hochschulgovernance beim Institut für Höhere Studien, sieht in der Neuregelung eine "klare Ansage, wer in Zukunft das Sagen haben soll". Je mehr Akteure bei der Wahl mitmischen, desto schwieriger sei es für die Rektoren, ihre Vorstellungen durchzusetzen, sagt König zum STANDARD. Die Erwartung des Ministeriums sei offenbar, dass die Rektoren mehr Reformeifer in ihren Einrichtungen entwickeln können und bei Bedarf institutsintern härter durchgreifen können. König rechnet aber auch mit einer indirekten Auswirkung der Reform auf die erstmalige Wahl eines Rektors, die nach wie vor auf einem Dreiervorschlag des Senats basieren soll. Durch seinen Mitspracheverlust bei der Verlängerung werde der Senat bei der ersten Wahl ein noch genaueres Auge auf die drei Kandidaten werfen, um in späteren Jahren keine bösen Überraschungen zu erleben.

Senate zuletzt reale Gefahr für Rektoren

In den vergangenen Jahren kam es bei der versuchten Verlängerung von Rektoren regelmäßig zu Konflikten zwischen Uni-Räten und Senaten, immer wieder scheiterten Rektoren an der Zweidrittelmehrheit im Senat, so auch Eva Blimlinger 2019 an der Akademie der bildenden Künste – kurz darauf dockte sie bei den Grünen an. Auch der ÖVP-Abgeordnete Josef Smolle verfehlte als Rektor der Med-Uni Graz 2015 eine Zustimmung im Senat und musste das Amt räumen.

Rektorate mit Richtlinien für Curricula

Außerdem in der UG-Novelle fixiert: eine Verschiebung der Kompetenzen bei der strukturellen Gestaltung der Studienpläne. Bisher war allein der Senat – also Professoren, Mittelbau und Studierende – für die Curricula zuständig. Künftig bekommen die Rektorate eine Richtlinienkompetenz. Die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger begründet das mit Ungereimtheiten bei der ECTS-Vergabe in manchen Curricula. Rektorate könnten hier mit Richtlinien für eine sinnvollere Bemessung der Punktwerte von Veranstaltungen sorgen: "Das soll ein Schutz für die Studierenden vor ungerechten ECTS-Zuordnungen sein." Der Senat werde wie gehabt eine Curricularkommission einsetzen und den Studienplan inhaltlich selbstständig konzipieren, sagt Blimlinger. Ob das die Senate beruhigt, ist fraglich – sie haben in den vergangenen Tagen bereits heftig gegen Kompetenzverschiebungen protestiert und Widerstand angekündigt. (Theo Anders, 24.11.2020)