In einem aufwendigen Verfahren haben die Forscher Gewebekulturen von mehr als 40 Dirndlsträuchern erzeugt, darunter von einem tausend Jahre alten Exemplar.

Foto: Margit Laimer

Momentan sind die Äste zwar kahl. Aber wer Ende Februar, Anfang März durch das Pielachtal bei St. Pölten fährt, kann überall auf Kuppen und an Hängen leuchtend gelb blühende Sträucher sehen, die sich von dem zu dieser Zeit noch unbelaubten Wald deutlich abheben.

Es handelt sich dabei um den Gelben Hartriegel (Cornus mas), auch Kornelkirsche oder Dirndl genannt, dessen säuerliche Früchte in der Region seit Jahrhunderten zu Schnaps, Säften und Marmelade verarbeitet werden und den lokalen Landwirten ein nicht zu unterschätzendes Zubrot liefern.

In den letzten Jahren kam es aber immer öfter zu Ernteausfällen durch Trockenheit. In einem vom Landwirtschaftsministerium finanzierten Projekt haben Margit Laimer vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Universität für Bodenkultur in Wien und ihre Mitarbeiter deshalb die Genetik der Pflanzen unter die Lupe genommen – mit dem Ziel, neue Zuchtformen zu erzeugen, die die Nutzung der Früchte auch in Zukunft gewährleisten.

Holz für Trojanisches Pferd

Je nach Standort und Alter kann der Gelbe Hartriegel eher ein Strauch sein oder auch ein Baum. Die meisten Exemplare werden 100 bis 150 Jahre alt, es gibt aber auch weitaus ältere Vertreter, wie etwa einen 1000-jährigen in Türnitz nahe Lilienfeld.

Was ihre Umgebung betrifft, bevorzugen Dirndln sonnige und halbschattige Lagen. Stehen sie nicht allein, werden sie ohne entsprechende Pflege bald von anderen Pflanzen überwuchert und beschattet, und unter diesen Umständen tragen sie keine Früchte mehr.

Das Holz der Kornelkirsche ist extrem hart, gleichzeitig aber sehr elastisch, weshalb sie in der Antike gern für die Erzeugung von Speeren und Lanzen verwendet wurde. Apropos Antike: Auch das Trojanische Pferd soll aus dem Holz des Hartriegels gefertigt worden sein, ebenso wie der legendäre Bogen des Odysseus. Für den Schiffsbau eignet es sich hingegen weniger: Es ist nämlich so dicht, dass es im Wasser untergeht.

Vitamin-C-Bomben

Die kleinen gelben Blüten der Kornelkirsche erscheinen sehr früh im Jahr und lange vor den Blättern. Die gewöhnlich leuchtend roten Früchte (es gibt auch gelbe Sorten) reifen sukzessive von Mitte August bis Ende September. Sie sind roh genießbar, allerdings recht sauer, dafür aber reich an Vitamin C.

Dirndl-Blüte im April.
Foto: imago/blickwinkel

Wie Funde von Nahrungsresten gezeigt haben, wurden sie schon in der Jungsteinzeit von den damaligen Menschen in großen Mengen verzehrt. Die getrockneten Kerne wurden noch in jüngerer Zeit geröstet und als Kaffeeersatz verwendet.

Im Pielachtal, das auch den Beinamen "Dirndl-Tal" trägt, gibt es rund 11.000 Dirndl-Pflanzen, die von rund 300 Bauernfamilien gepflegt werden. Die Ernte der Dirndln ist allerdings sehr aufwendig: Zum einen stehen die Sträucher oft an steilen Hängen, die nur zu Fuß zu bewältigen sind, zum anderen werden die Früchte nach und nach über einen Zeitraum von sechs Wochen reif.

Gesammelt werden sie in Netzen, die unter die Stämme gelegt werden, aber um ein Verderben der Dirndln zu verhindern, müssen diese jeden Tag kontrolliert und geleert werden. Die Erntemenge kann dabei stark variieren: Derselbe Strauch kann pro Jahr von zehn bis zu 130 Kilo Dirndln hervorbringen. In schlechten Saisonen lohnt sich die Ernte daher gar nicht.

Einzigartige Sträucher

Umso bedenklicher ist, dass der Ertrag der Kornelkirschen im Pielachtal in den letzten Jahren merklich zurückgegangen ist. Schuld daran ist die im Zuge der Erderwärmung zunehmende Trockenheit – und das, obwohl der Hartriegel eigentlich recht gut mit geringem Wasserangebot zurechtkommt.

Um besser an Trockenstress angepasste Varianten der Art zu züchten, haben Laimer und ihre Gruppe in den vergangenen drei Jahren die genetische Variabilität von 425 Dirndl-Sträuchern im Pielachtal sowie im benachbarten Traisen- und Gölsental untersucht. Diese ist beeindruckend: "Jeder Strauch ist anders", fasst Laimer die Untersuchungsergebnisse zusammen. "Das ist wichtig, weil für ein Züchtungsprogramm braucht man möglichst unterschiedliche Kreuzungspartner."

Wie sich ebenfalls herausgestellt hat, kennen viele Bäuerinnen und Bauern ihre Dirndl-Stauden sehr gut und können deren Wert intuitiv einschätzen: Laimer und ihre Mitarbeiter untersuchten nämlich auch die Früchte, unter anderem auf ihren Fruchtfleischanteil. "Die Pflanzen, bei denen die Bäuerinnen sagen, dass sie die besonders gern mögen, haben sich auch bei der wissenschaftlichen Vermessung als die mit den fleischigsten und süßesten Dirndln herausgestellt", erzählt Laimer.

Damit im Pielachtal und in dessen Umgebung auch in Zukunft saftige Kornelkirschen geerntet werden können, haben die Boku-Biotechnologen Gewebekulturen von mehr als 40 Freiland-Dirndln erzeugt, darunter auch von einem tausend Jahre alten Exemplar.

Fingerspitzengefühl

Das dafür nötige Verfahren ist nicht einfach und erfordert viel Fingerspitzengefühl, wie Laimer betont. Von den Sträuchern werden kleine Sprossstücke mit jeweils zwei Knospen geschnitten, die dann im Labor auf einem Nährboden etabliert werden müssen, und zwar keimfrei, das heißt ohne jegliche Viren, Bakterien und sonstige Schaderreger, was bei Gewebe, das aus der freien Natur kommt, durchaus eine Herausforderung darstellt.

Wächst die Kultur plangemäß, wird sie nach ein paar Wochen in Teile zerlegt, die auf einen frischen Nährboden transferiert werden und ihrerseits wieder die Basis für neue Klonpflänzchen bilden. Klone, die aus derselben Knospe stammen, bezeichnet man dabei als Linien. Bisher haben Laimer und ihre Gruppe 172 Linien mit knapp 3000 Pflanzen erzeugt.

Erwünschte Eigenschaften

Wenn diese Phase abgeschlossen ist, werden verschiedene Linien miteinander gekreuzt, um Pflanzen mit diversen erwünschten Eigenschaften zu züchten, wie etwa größeren Früchten oder einem erhöhten Fruchtfleischanteil.

Auch die bei den Wildformen langwierige Reifung könnte innerhalb kürzerer Zeit erfolgen und so den Aufwand für die Ernte merklich reduzieren, ist Laimer überzeugt. Und natürlich soll die Trockenresistenz erhöht werden, um dem fortschreitenden Klimawandel erfolgreich zu trotzen. (Susanne Strnadl, 27.11.2020)